High Life
© Pandora Filmverleih
„High Life“ // Deutschland-Start: 30. Mai 2019 (Kino)

Sie wissen nicht genau, wo sie sind, wohin sie fliegen, wann sie jemals dort ankommen werden. Und doch ist dieser Zustand besser, das kleinere Übel. Denn Monte (Robert Pattinson) und die anderen Menschen an Bord des Raumschiffes sind Schwerverbrecher, auf die daheim auf der Erde nur schwere Strafen warten. Also machen sie mit bei dieser wichtigen Expedition, geleitet von der Wissenschaftlerin Dibs (Juliette Binoche), in die Weiten des Alls. Doch dabei ahnen sie nicht, was die Reise tatsächlich für sie bedeuten wird und welchen hohen Preis sie alle zahlen müssen.

Für einen Moment konnte man ja glauben, dass Claire Denis auf ihre alten Tage das Mainstreamkino entdeckt hat. Eine Liebeskomödie? Ausgerechnet von der Regisseurin und Drehbuchautorin, die in ihren Filmen regelmäßig die hässlichen Seiten der menschlichen Existenz aufzeigt? Doch Meine schöne innere Sonne – Isabelle und ihre Liebhaber verweigerte sich den üblichen Träumereien, die dieser Bereich mit sich bringt. Und auch ihr Folgewerk High Life hat – trotz der Bezeichnung Sci-Fi-Horror – so gar nichts mit dem zu tun, was sich sonst in unseren Kinos so tummelt und was wir bei diesem Genre erwarten.

Sprache als (nicht) verbindendes Mittel
Es ist der erste englischsprachige Film, den die 73-jährige Französin gedreht hat. Ein Film, mit dem sie sich einen eigenen (Alb-)Traum erfüllt, den sie mehr als 15 Jahre mit sich herumtrug. Dass die Figuren Englisch miteinander sprechen, hatte aber ebenso wie die Besetzung mit Mädchenschwarm Robert Pattinson nichts mit Gefälligkeit zu tun. Vielmehr war es für sie die Notwendigkeit, auf eine internationale Sprache zurückzukommen, wenn große Verbrecher in ein kleines Raumschiff gesperrt werden.

Die Dialoge spielen ohnehin keine besonders große Rolle. Sprache wird zwar benutzt. Sie dient aber selten der Erhellung, weder der inhaltlichen wie bildlichen Finsternis, die an Bord des Raumschiffes herrschen. Es ist nicht einmal wirklich klar, ob die Leute tatsächlich miteinander sprechen oder ob die Wortfetzen Teil eines Deliriums sind, wenn die jahrelange Einsamkeit alle in den Wahnsinn treibt. Das ist teils beeindruckend, Juliette Binoche (Die Blüte des Einklangs) als sadistische Wissenschaftlerin, auch Lars Eidinger (Abgeschnitten) darf mal wieder ungestört dem Overacting frönen. Dann und wann steigt Denis von ihrem in anderen Sphären schwebenden Regiestuhl, um dem Publikum kleine Informationshappen vor die Füße zu werfen, oft auch in Form von Flashbacks. Doch viele der Fragen bleiben.

Science-Fiction als bloßer Vorwand
Die betreffen dann gar nicht so sehr die Geschichte, noch weniger das Setting. Dass wir an Bord eines Raumschiffes sind, wissen wir in erster Linie aus der Inhaltsbeschreibung und dem unterkühlten, klinischen Look, der so oft dem Genre anhängt. Tatsächliche Raumfahrtszenen sind sehr selten, trotz einer Laufzeit, die sich der 2-Stunden-Marke annähert. Über weitere Strecken würde man dem Film auch abnehmen, dass er überhaupt nicht im All spielt, sondern in den Kellern eines Labors, das einem Gefängnis sehr nahe kommt. Weil natürlich jeder ein Gefangener ist. Ein Gefangener der Situation, der eigenen Vorgeschichte wie auch der Menschlichkeit. Sofern man überhaupt von Menschlichkeit reden mag. Denn je länger die Figuren zusammengesperrt sind, umso mehr kratzt Denis an dem Glauben an Zivilisation und Entwicklung. Wie Tiere fallen sie übereinander her, mal verbal, mal körperlich, weil sie es können und weil sie nicht anders können.

Richtig viel Handlung hat High Life, das auf dem Toronto International Film Festival 2018 Weltpremiere hatte, dennoch nicht. Spannung entsteht hier nicht, weil die Geschichte auf einen Höhepunkt hinsteuert. Dafür ist sie zu dünn, zu nebensächlich auch. Die Spannung liegt eher darin, welche Abgründe sich mit der Zeit noch auftun werden. Wirkliche Helden gibt es hier nicht, selbst Monte ist mehr stiller Beobachter als Akteur. Gefallen wird das wenigen, der Film suhlt sich im zwischenmenschlichen Dreck, wird die einen verstören, andere vielleicht langweilen durch die langen ruhigen Passagen. Wer offen ist für solche Erfahrungen, sich auch an angespannt-klaustrophobischen Stimmungen erfreuen kann, die nicht mittels Jump Scares aufgelöst werden, der sollte unbedingt einmal hineinschauen. Man sollte sich nur darauf einstellen, den Glauben an das Gute kaum mehr aufrecht erhalten zu können, denn Szenen der Zärtlichkeit und Hoffnung, die gibt es fast nur, wenn es keine Menschen mehr gibt.



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In „High Life“ nimmt uns die französische Arthouse-Regisseurin Claire Denis mit ins Weltall. Von Zivilisation ist da oben aber nichts zu spüren. Stattdessen gibt es eine zwischen Wahnsinn und Klaustrophobie schwankende Stimmung, die nach und nach zwischenmenschliche Abgründe freilegt, während das Publikum vergebens auf Erlösung, Hoffnung oder eine tatsächliche Handlung wartet.
8
von 10