Ein bisschen ironisch ist es ja schon. Als Pearl Jam 1993 im Empire Polo Club in Indio, Kalifornien auftraten, war dies, um gegen fragwürdige Ticketpraktiken der Musikindustrie zu protestieren. Inzwischen ist der eigentlich für Sportveranstaltungen bekannte Club selbst Teil dieser Musikindustrie geworden, das jährlich dort stattfindende Coachella Valley Music and Arts Festival hat sich zu einem der bedeutendsten Musikfeste in den USA entwickelt, das die ganz Großen der Unterhaltungsbranche auf der Bühne vereint.
Als Beyoncé dort 2018 als Headlinerin auftrat, war das auf den ersten Blick folgerichtig, schließlich gehört sie zu den erfolgreichsten Künstlerinnen unserer Zeit. Und doch schrieb sie damit Geschichte, als erste schwarze Sängerin, die das prestigeträchtige Festival anführen durfte. Und ohnehin, Frauen gehören in der nunmehr 20-jährigen Geschichte von Coachella – die erste „richtige“ Ausgabe fand 1999 statt – zu einer Minderheit. Björk durfte zweimal an der vordersten Front stehen (2002, 2007). 2017 folgte ihr Lady Gaga, als Ersatz für Beyoncé, die damals schon hätte auftreten sollen, aber aufgrund ihrer fortgeschrittenen Schwangerschaft absagen musste.
Ein Triumph für schwarze Musik
Über die Geschichte des Festivals hat Homecoming – Ein Film von Beyoncé nichts zu sagen, ein Dokumentarfilm über Beyoncés letztjähriges Konzert. Geschichtsträchtig selbst ist die Netflix-Produktion aber schon. Vor allem die Einflüsse schwarzer Bewegungen werden erläutert, die sich teils in den aufwendigen Kostümen auf der Bühne wiederfinden lassen. An anderen Stellen muss man sich mit Kommentaren aus dem Off zufriedengeben: Unter anderem wird die bedeutende Schriftstellerin Toni Morrison zitiert, auch die verstorbene Künstlerin und Bürgerrechtlerin Maya Angelou kommt zu Wort. Der Film geht daher nicht allein über Musik, sondern will deutlich machen, welcher Triumph der Auftritt war.
Das war er auch in persönlicher Hinsicht: Beyoncé erzählt von den Strapazen, die sie auf sich nehmen musste, um nach der Geburt ihrer Zwillinge wieder in Form zu kommen. Ohnehin gibt sie immer wieder kleine Einblicke in ihr Privatleben, von den Anfängen bis heute. Was heißt es als Mutter von drei Kindern im Rampenlicht zu stehen? Die Absicht dahinter ist klar: Der frenetisch gefeierte Auftritt, von Fans gern Beychella genannt, soll noch stärkeren Event-Charakter bekommen, indem die Künstlerin zeigt, was alles notwendig war, um überhaupt zu diesem Punkt zu kommen. Wie aufwendig auch die Vorbereitungen waren, wenn mehrere Monate lang für ein einmaliges Konzert geprobt wurde.
Selbstinszenierung statt Intimität
Das funktioniert aber nur zum Teil. So beeindruckend die Anstrengungen auch sind, sie sind natürlich entsprechend in Szene gesetzt. Homecoming ist keine unabhängige Dokumentation über Beyoncé. Es ist ein Film, der von ihr selbst stammt, als Co-Regisseurin. Sie bestimmt, was die Leute da draußen zu sehen bekommen. Dass Madonna eines ihrer großen Vorbilder ist, das wird mehr als deutlich, ihre Selbstentblößungen hatten bekanntermaßen immer auch etwas sehr Kalkuliertes an sich. Von der Intimität, die der Film für sich in Anspruch nimmt, ist hier kaum etwas zu spüren. Auch die Behauptung von Tiefgründigkeit darf man getrost als das übliche PR-Geschwätz abtun. Dafür sind die Szenen, die tatsächlich mal hinter die Kulissen schauen, zu kurz und zu oberflächlich.
Wer den im Vorfeld stark gehypten Film sehen möchte, um tatsächlich die Person hinter dem Star kennenzulernen, der kann sich die mehr als zwei Stunden sparen. Trotz gegenteiliger Behauptungen will und kann Homecoming das nicht. Fans hingegen dürfen sich natürlich freuen, dass das Konzert jetzt – zusammen mit dem parallel veröffentlichten Album – auch für diejenigen erhältlich ist, die nicht seinerzeit dabei sein konnten. Da werden viele bekannte Hits aneinandergereiht, dazu noch das eine oder andere Cover, zusammen mit einer Choreographie und einem Aufwand, der einem selbst dann Respekt abringt, wenn man nicht viel mit der Musik anfangen kann. Als Konzertfilm ist das hier daher durchaus gelungen, zu sehen und hören gibt es bei dem Spektakel mehr als genug. Mehr als das sollte man aber nicht erwarten.
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