Im Netz der Versuchung Serenity
© Universum Film

Im Netz der Versuchung

Im Netz der Versuchung
„Im Netz der Versuchung“ // Deutschland-Start: 2. Mai 2019 (Kino)

Lange schon hat Baker Dill (Matthew McConaughey) seine Ex-Frau Karen (Anne Hathaway) nicht mehr gesehen. Aus gutem Grund: Er wollte ein komplett neues Leben anfangen, mit neuem Namen. Niemand sollte ihn mehr an seine Vergangenheit erinnern. Doch sein friedliches Dasein nimmt ein vorzeitiges Ende, als Karen vor ihm steht und ihn bittet, ihren gewalttätigen neuen Mann Frank (Jason Clarke) umzubringen. Für Baker kommt das natürlich nicht in Frage. Aber 10 Millionen Dollar sind eine Menge Geld. Außerdem steht das Wohlbefinden ihres Sohnes auf dem Spiel – so sagt sie zumindest.

Wenn Filme hierzulande deutlich später starten als in den USA bzw. Monate nach einer Premiere vergehen, kann das für die Marketingabteilung eine Goldgrube sein. Filme wie Hereditary – Das Vermächtnis profitierten beispielsweise davon, dass monatelang ungestört gehypt und auf Traumwertungen der amerikanischen Presse verwiesen werden konnte. Ein solcher später Release kann aber auch Gift sein, wenn die ersten Reaktionen negativ sind und allenfalls die besonders Neugierigen heiß machen: Ist der Film wirklich so schlecht, wie von allen angekündigt?

Lasst uns den Film verstecken!
Im Netz der Versuchung beispielsweise tauchte schon früh in hiesigen Filmschlagzeilen auf. Der Grund: Der US-Verleih weigerte sich Geld ins Marketing zu stecken, nachdem Vorabvorführungen verheerende Reaktionen nach sich zogen. Nun sind schlechte Filme natürlich keine Seltenheit, auch nicht mit prominenter Besetzung. Wenn aber der Cast und der Regisseur in aller Öffentlichkeit darüber schimpfen, dass ihr Film vom Verleih schon vor Kinostart abgeschrieben wurde und vorherige Vereinbarungen zur Promotion nicht eingehalten werden, dann wird man natürlich schon hellhörig.

Nach Sichtung des Films wird einiges tatsächlich nachvollziehbar, von dem miesen Kritikerecho bis zur Entscheidung, die unweigerlichen Verluste möglichst klein zu halten. Denn Im Netz der Versuchung ist ein Titel, den man sicher nicht in positiver Erinnerung behält. Dabei sieht es anfangs noch danach aus, dass sich der vor einigen Jahren noch gefeierte McConaughey mal wieder an einem kaum erwähnenswerten Werk beteiligt hat. Kommt vor, hat er zuletzt oft getan. Wenn er hier einen Fischer spielt, der mit Menschen wenig anfangen kann, dann ist das eine seiner typischen Grummel-Griesgram-Rollen. Nur dass Baker einen unerklärlichen Fetisch hat, wenn er täglich einem Tunfisch hinterherjagt. Ein bisschen wie Moby Dick, nur kleiner und komischer.

Die üblichen Klischees in ungewohnter Umgebung
Ansonsten hält sich die freiwillige Komik in Grenzen. Stattdessen nimmt der Film jedes seiner verwendeten Klischees richtig ernst. Und das sind eine Menge: Hathaways Verkörperung der lasziven Femme Fatale, Clarkes Rolle des gewalttätigen Ehemanns, die Figuren sind klassische Bestandteile eines Noir-Films. Als solcher sollte Im Netz der Versuchung auch verkauft werden. Hin und wieder mischen sich zwar etwas unpassende, leicht surreale Momente ins Geschehen, die einen zumindest vermuten lassen, dass hier mehr dran ist. Ansonsten dominiert bald der Eindruck, dass Regisseur und Drehbuchautor Steven Knight (No Turning Back) gar nicht vorhat, mehr als einen 08/15-Noir zu zeichnen. Mit Ausnahme der tatsächlich schönen Inselaufnahmen, die einen reizvollen Kontrast zu den üblichen Settings eines solchen Films bilden.

Es sind aber weder die Bilder noch die zahlreichen Klischees, die den Film erwähnenswert machen. Stattdessen hielt es Knight für eine gute Idee, die Geschichte irgendwann auf den Kopf zu stellen. Die besagten unpassenden Momente entpuppen sich dann als Hinweise, dass Im Netz der Versuchung tatsächlich mehr sein will. Der Film will auch clever sein. Am Ende ist er weder das eine noch das andere. Die Wendung, die Knight eingebaut hat, ließe selbst den notorischen Twist-Neurotiker Shyamalan (The Visit) neidisch hinüberschielen, wird als eine der bizarrsten der letzten Jahre in die Filmgeschichte eingehen. Das kann man nun lustig finden oder mutig, überraschend oder eine Frechheit. Und ob der Überraschungsmoment die sonstige dezente Langeweile wieder wett macht, auch darüber kann man geteilter Meinung sein. Immerhin, im Vergleich zu so manch anderer Schlaftablette, die uns Hollywood zuletzt eingebrockt hat, darf man sich hier immerhin wundern, was genau den Machern eigentlich im Kopf vorgegangen ist und weshalb namhafte Darsteller der Ansicht waren, hier mitspielen zu wollen.



(Anzeige)

„Im Netz der Versuchung“ ist die vielen Verrisse tatsächlich wert, sofern man von einem normalen, im Idealfall guten Film ausgeht. Interessant ist an dem Mystery-Noir-Film in erster Linie das reizvolle und ungewohnte Inselsetting sowie ein Twist, den man selbst dann nicht glauben will, nachdem man ihn mit eigenen Augen gesehen hat.
4
von 10