Per im Glueck Lykke Per Netflix
© Netflix

Per im Glück

Per im Glueck Lykke Per Netflix
„Per im Glück“ // Deutschland-Start: 19. April 2019 (Netflix)

Per Sidenius (Esben Smed) hat genug von den Bevormundungen und strengen Regeln seiner streng christlichen Familie. Er will mehr sehen von der Welt, mehr erreichen auch. Und so zieht der junge Däne im späten 19. Jahrhundert nach Kopenhagen, wo er Ingenieurswesen studieren will. Eines seiner großen Ziele: die Umsetzung eines Wasserwegprojektes, womit er sein Land revolutionieren könnte. Doch die Finanzierung gestaltet sich schwierig, kaum einer will an seine Ideen glauben. Aber vielleicht klappt es ja dank Jakobe (Katrine Greis-Rosenthal), die Tochter einer wohlhabenden jüdischen Familie, in die er sich verliebt.

Grundsätzlich ist die eigene Filmsparte von Netflix ja eher von Crowdpleasern geprägt, von billig produzierter, stromlinienförmiger Wegwerfware, die zwar eine Zielgruppe, jedoch so gar keine künstlerische Ambition hat. Dann und wann denken sich die Programmer des Streamdienstes aber offensichtlich, dass sie auch das Arthouse-Publikum an sich binden müssen. Und so bedienen sie sich gern mal bei Filmfestmaterial, das qualitativ tatsächlich hochwertiger ist, teilweise jedoch schwer zu verkaufen. Das indische Gender-Drama Soni von den Filmfestspielen von Venedig war ein solcher Fall, ebenso das isländische Drama Und atmen Sie normal weiter, das auf dem Sundance Film Festival lief.

Ein alter Bekannter mit neuem Zuhause
Auch Per im Glück ist überaus festivalerfahren. So hatten hierzulande Besucher des Filmfests Hamburg und der Nordischen Filmtage Lübeck bereits letztes Jahr die Gelegenheit, die Geschichte um den aufstrebenden Ingenieur Per zu sehen. Andere werden diese vielleicht sogar schon viel länger kennen: Vorlage des Film war ein von 1898 bis 1904 in Einzelbänden veröffentlichter Roman von Henrik Pontoppidan. Daheim gilt es als eines der großen nationalen Werke, hierzulande dürfte das unter dem Titel Hans im Glück veröffentlichte Epos eher wenigen Leuten etwas sagen.

Zu sagen hatte der Schriftsteller natürlich genug, was dann auch für die Filmadaption gilt: Per im Glück zeichnet einerseits das Porträt einer Gesellschaft im Umbruch, wenn Ende des 19. Jahrhunderts traditionelle Kräfte gegen Modernisierer kämpfen, streng gläubige Konservative gegen junge Wilde. Gleichzeitig ist das Drama aber auch die sehr persönliche Geschichte eines wütenden jungen Mannes, der sich gegen seine ursprünglichen Wurzeln auflehnt und nach einem eigenen Weg sucht. Das funktioniert immer gut, kleinere Rebellionen dürften die meisten mitgemacht haben als Jugendlicher. Dass Per dafür eigentlich schon zu alt ist, stört nicht weiter, auch wenn es die Geschichte für heutige Zuschauer etwas weniger greifbar macht.

Warum einfach, wenn’s auch umständlich geht?
Aber Per soll ohnehin nur bedingt Identifikationsfigur sein. Dafür ist er auch als Mensch zu schwierig. So beeindruckend sein Kampf für seine Vision ist, so anstrengend ist er zuweilen: Seine Auflehnung gegen alte Überzeugungen und Unterdrückungen haben ihn zu einem derart unnachgiebigen Menschen gemacht, dass Kompromisse nicht möglich sind. Auch Einfühlungsvermögen gehört nicht gerade zu seinen Stärken, was sich besonders in seinem Privatleben zeigt. Das kann man nun tragisch finden: Ein begabter junger Mann, der sich und seinem Glück letztendlich immer selbst im Wege stand. Oder auch etwas unsympathisch, seine selbstgerechte Störrigkeit kratzt, bei allem Verständnis für seinen schwierigen Lebensweg, zuweilen an den Nerven.

Aber auch Geduld sollte man hier mitbringen. Der dänische Regisseur und Co-Autor Bille August (Eleanor & Colette, Das Geisterhaus) hat es nicht sonderlich eilig bei seiner Adaption. Um der umfangreichen Vorlage möglichst gerecht zu werden, spendierte er seinem Drama mehr als 160 Minuten. Das ist im effektgeladenen Blockbustersegment zwar nicht ungewöhnlich, für ein leises Drama, das mehr auf Figuren basiert anstatt auf Handlung, ist das hingegen recht üppig. Umso mehr, da das Tempo recht gering ist, weder die Beziehung von Per noch seine technischen Bemühungen scheinen irgendwohin zu führen. Für Liebhaber historischer Dramen gibt es dafür einiges zu tun, vor allem zu sehen, Per im Glück genießt es, die Ausstattung einer vergangenen Zeit sowie ein paar Landschaftsaufnahmen zu zelebrieren. Ob das dem Netflix-Publikum reichen wird, das darf ein wenig bezweifelt werden. Ein würdiger Zugang im eigenen Sortiment ist die Romanadaption aber schon.



(Anzeige)

Ein junger Mann will im Dänemark des späten 19 Jahrhunderts aus seiner streng gläubigen Familie ausbrechen und träumt in der Großstadt von Wissenschaft und einem Ingenieursprojekt. Die Adaption eines bekannten Romans lässt sich zwar viel Zeit mit ihrer Geschichte, bietet aber einiges fürs Auge und funktioniert gleichermaßen als Gesellschaftsporträt wie auch als persönliches Drama eines Mannes, der seinem eigenen Glück im Weg steht.
7
von 10