Es ist ein Blick des Grauens, der sich da bietet: Mehrere Schüler sind tot, erschossen, das Klassenzimmer ist blutverschmiert. Dazwischen steht die kaum ansprechbare 18-jährige Maja Norberg (Hanna Ardéhn), noch immer mit der Tatwaffe in der Hand. Die Sachlage ist klar: Gemeinsam mit ihrem Freund Sebastian (Felix Sandman) hat sie mehrere Menschen an diesem Tag ermordet, bevor sie dann auch ihn tötete. Mord lautet die Anklage, zusätzlich Anstiftung zum Mord und versuchter Mord. Doch was genau ist da vorgefallen? Und was hat die beiden Jugendlichen veranlasst, wild um sich zu schießen?
Es gehört zu den schrecklichsten Ereignissen unserer Gegenwart – und zu den oft unerklärlichsten: Amokläufe in einer Schule. Zwar sind wir hierzulande von diesem Phänomen eher selten betroffen, zudem mit weniger Opfern als bei den US-Massakern. Aber immer gehört die Ratlosigkeit dazu, was die Menschen dazu treibt, andere oft wahllos zu töten. Eine Antwort ist nun auf Netflix verfügbar. Die ist aber fiktiv, Grundlage von Quicksand – Im Traum kannst du nicht lügen bildet der gleichnamige, preisgekrönte Roman der schwedischen Autorin Malin Persson Giolito.
Warum tut ihr das?
Die arbeitet auch als Rechtsanwältin. Anders als ihr deutscher Kollege Ferdinand von Schirach, der in seinen Romanen rechtlich-moralische Aspekte aufarbeitet – siehe Terror – Ihr Urteil und Der Fall Collini –, ist Giolito sehr viel stärker an der Psychologie der Figuren interessiert. Die Frage, wie das Ganze juristisch zu bewerten ist, das ist nur sekundär. Die gesamten Ermittlungen und der Gerichtsprozess in Quicksand bilden nur den Rahmen für die eigentliche Geschichte: die Hintergründe des Amoklaufs offenzulegen.
Die Serie springt deshalb auch munter in der Zeit hin und her. Während die Handlung mit dem Ende der Schießerei beginnt, werden parallel die vorangegangenen Ereignisse erzählt – oft als Flashbacks, teils als Verhör. Dabei steht vor allem die Beziehung zwischen Maja und Sebastian im Vordergrund, ergänzt um den familiären Hintergrund Sebastians. Der ist das typische Ergebnis einer vermögenden, dafür reichlich dysfunktionalen Familie, in der sich alles um Erfolg dreht, weniger um die Vermittlung von Werten. Die braucht es nicht, wer derart schicke Anwesen oder Boote besitzt.
Ein Abgrund mit vielen offenen Fragen
Das ist als Psychologisierung natürlich nicht übermäßig originell. Es ist auch nicht sehr tiefgründig: Kaputte Haushalte führen nicht zwangsläufig dazu, ein Blutbad zu veranstalten. Und auch innerhalb der Beziehung von Maja und Sebastian bleibt einiges offen. Was genau die beiden aneinander fanden, wird nie wirklich klar, man hat nur an wenigen Stellen das Gefühl, ein tatsächliches Paar vor sich zu haben. Das macht einige spätere Szenen nicht gerade leicht zu schlucken, vieles wird nur behauptet, ohne dass es plausibel und nachfühlbar vorgeführt wird. Quicksand neigt dazu, nicht zuletzt wegen der Erzählform, gerne mal ein bisschen zu überspringen oder beim Ende abzukürzen. Gerade bei einer Serie hätte man da ein wenig mehr erwarten können.
Fesselnd ist die schwedische Produktion jedoch, dank der kurzen Laufzeit – sechs Folgen à etwa 45 Minuten – bietet sie sich auch fürs allseits beliebte Binge Watching an. Immer wieder läuft es einem eiskalt den Rücken herunter, wenn das Menschenverachtende durchschimmert. Tendenzen zur Grausamkeit, die sich nicht nur in Sebastian finden lassen, gerade auch bei einer verstörenden Waffenfaszination. Das mag dann inhaltlich nicht immer befriedigend ausgeführt sein, atmosphärisch überzeugt die Mischung aus persönlichem Drama und Krimi jedoch. Wie der englische Titel fühlt man sich hier wie in Treibsand, der einen immer tiefer in den Abgrund hineinzieht, ohne dass man etwas dagegen tun kann.
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