Reisen ist in! Schön, das waren sie immer. Wo früher Reisen jedoch Privatsache war, die man allenfalls im Anschluss im Rahmen der gefürchteten Dia-Abende mit anderen teilte, da dürfen heute Hunderte, Tausende und noch mehr dabei sein, während man die Welt umrundet. Das beschränkte sich längere Zeit auf Blogs, soziale Medien oder andere Formen der Internet-Selbstverwirklichung. Inzwischen sind Dokumentationen über eigene Reisen aber auch ein fester Bestandteil der Kinolandschaft geworden, zuletzt etwa bei Reiss aus – Zwei Menschen. Zwei Jahre. Ein Traum, davor bei Egal was kommt, an Nachschub mangelt es nicht.
Wenn mit Zwei Familien auf Weltreise nun ein weiterer Film dieses boomenden Segments antritt, das Publikum zu inspirieren und den einen oder anderen Euro zu erleichtern, darf man erst einmal mit den Schultern zucken. Warum sollte ich mir ausgerechnet diese Doku anschauen anstatt eine der vielen anderen? Die Antwort ist im Titel selbst verborgen. Wo meistens einsame Wölfe oder zumindest Paare die Welt erkunden, da reist man hier ein wenig größer. Als Sandy und Benny ihren Weg antraten, war Nachwuchs bereits unterwegs. Thor und Maria wiederum, die zweite Familie, hatte bereits diverse Kinder, die mit auf die Reise durften.
Die Welt als Kinderspielplatz
Aber wie soll das denn gehen, wird der eine oder andere an der Stelle zwischenrufen. Die müssen doch in die Schule, was lernen. Und überhaupt: Kinder und Weltreise? Geht doch nicht. Geht wohl, wie das Beispiel der beiden Familien verdeutlicht. Anderthalb Stunden folgen wir den diversen Globetrottern, anhand von Bildmaterial, das über einen längeren Zeitraum entstanden ist. Thor und Maria sind inzwischen wieder sesshaft geworden, auf einem Bauernhof in Norwegen. Sandy und Benny wiederum haben bislang keinen Grund gefunden, ihr Abenteuer vorzeitig abbrechen zu wollen.
Wobei Abenteuer vielleicht nicht der passende Begriff dafür ist. Denn brenzlig sind die Situationen, anders als etwa bei Anderswo. Allein in Afrika, sicher nicht. Die größten Wagnisse, die wir hier zu sehen bekommen, sind kulinarischer Natur. Ansonsten wirkt Zwei Familien auf Weltreise eher wie ein ausgedehnter Urlaub mit dem Fokus auf hübsche Landschaften, Traumstrände und idyllische Dschungelhäuschen. Orte, an denen man unter sich ist, das unbeschwerte Leben genießt, fernab von gesellschaftlichen und finanziellen Zwängen.
Und wo ist der Haken …?
Das ist ein bisschen zu paradiesisch. Dass nicht immer alles so läuft wie gedacht, wird zwischendran zwar mal angedeutet, bleibt aber in Nebensätzen begraben. Auch Spannungen innerhalb der Familie, die beispielsweise den Reiz von Reiss aus ausmachten, sind hier kein Thema. Stattdessen ist Zwei Familien auf Weltreise die Instagram-Variante des Reisens: Alles ist nett und schön und fotogen, die Leute sind toll und überhaupt sollten doch alle viel lieber so leben. Da darf man natürlich wenig skeptischer werden, die negativste Aussage betraf da noch die Schmutzigkeit in Vietnam.
Aber auch wenn der Dokumentarfilm gerne ein wenig romantisiert und beispielsweise das Leben für einen YouTube-Kanal gar nicht erst in Frage stellt – da treffen zwei Welten völlig frei von Ironie aufeinander –, inspirierend ist es natürlich schon, was die zwei Familien zu erzählen haben. Er ermuntert dazu, das eigene Leben und die Prioritäten zu hinterfragen. Was brauche ich eigentlich, um glücklich zu sein? Und er soll Mut machen, der Welt und den Menschen ohne Furcht zu begegnen, offen zu sein für alles. Das ist in einer Zeit, in der viele die Schotten dicht machen, auch aus Angst, durchaus eine wichtige und positive Nachricht, die völlig losgelöst von Weltreisen relevant ist.
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