All My Loving
© Jens Harant / Port au Prince Pictures

All My Loving

All My Loving
„All My Loving“ // Deutschland-Start: 23. Mai 2019 (Kino)

Es kriselt kräftig bei Familie Hoffmann. Jemand muss bei den Eltern nach dem Rechten sehen, die sich mal wieder bescheuert aufführen, darin sind sich die drei Geschwister Julia (Nele Mueller-Stöfen), Stefan (Lars Eidinger) und Tobias (Hans Löw) einig. Dabei hätten sie selbst genug Probleme, mit denen sie klarkommen müssen. Julia und ihr Mann Christian (Godehard Giese) haben noch immer ihr Trauma nicht überwinden. Stefan verliert sein Gehör, was für einen Piloten das Berufsende bedeutet, Tobias wiederum hat keine Karriere, da er sich daheim um die Kinder kümmert und dabei verzweifelt versucht, seine Diplomarbeit zu schreiben.

Dass das Leben manchmal richtig schiefgehen kann, das hat Edward Berger schon bei seinem letzten Kinofilm gezeigt, dem mittlerweile fünf Jahre zurückliegenden Jack. Damals erzählte der Regisseur und Drehbuchautor von zwei kleinen Kindern, die ihre verantwortungslose Mutter suchen. In seinem neuen Film All My Loving sind die Protagonisten zwar schon erwachsen, stehen voll im Leben. Doch auch hier geht es um Geschwister. Auch hier geht es um eine Suche.

Eine Ansammlung gescheiterter Familienmitglieder
Dabei würde man hier gar nicht unbedingt merken, dass die drei Geschwister sind, als wir sie kennenlernen. Dafür sind sie zu unterschiedlich. Dafür ist hier zu wenig von einer Gemeinschaft zu spüren, von einer Verbundenheit. Passend zum Ort des Epilogs, der sie in einem dieser unterkühlten Restaurants zeigt, das vor lauter Hipness jegliche Persönlichkeit verloren hat, so ist auch bei ihnen nur Kälte zu spüren. Distanz. Eigentlich traf man sich zum Essen. Gegessen wird hier aber nicht. Ein bisschen Gejammer, mehr oder weniger subtile Vorwürfe, dazu der ebenso wenig versteckte Versuch von Stefan, sich als welterfahrenen Connaisseur aufzuspielen. Mögen muss man das nicht. Man kann es auch fast nicht.

Tobias ist der einzige, der in seiner Geschichte so etwas wie authentische Zuneigung zeigen darf. Eine Karriere hat er nicht, als Langzeitstudent genießt er nicht unbedingt Vorbildfunktion – was ihm vor allem von seinem Vater vorgehalten wird. Dafür ist er einigermaßen sympathisch, zumindest im Vergleich zum Rest dieser Familie. Mutter Ebba (Christine Schorn) verdrängt alles, was nicht passt, Vater Pit (Manfred Zapatka) nutzt seinen Lebensabend in erster Linie zum Nörgeln. Stefan ist ein selbstverliebter Lebemann, der seinen bisherigen Lebensstil nicht aufgeben mag – trotz der gesundheitlichen Einschränkung –, weil es das einzige ist, das er hat. Das einzige, was er ist. Und Julia ist in ihrer Hundeliebe ohnehin ein bizarres Drehbuchkonstrukt, nahe einer Karikatur.

Das Leben, wie es das Fernsehen schreibt
Allgemein ist das zugrundeliegende Drehbuch nicht unbedingt das beste Argument, um sich All My Loving einmal anzuschauen. Berger und seine Koautorin Nele Mueller-Stöfen (Meine Schwestern) sind sich für kein Klischee zu schade. Dass die drei Episoden nacheinander erzählt werden ohne großartige Verknüpfungen, das sieht man dem Film noch nach. Das ist ja durchaus angemessen für eine Familie, bei der es keine Anknüpfungspunkte gibt. Die Kombination aus Abgenutztem und Übertriebenen ist aber weniger glücklich, eine Seifenoper im frostigen Kinoformat.

Wenn das Drama, das auf der Berlinale 2019 Weltpremiere hatte, dennoch sehenswert ist, dann ist das ein Verdienst des Ensembles. So findet beispielsweise Eidinger (25 km/h) Nuancen in seiner Figur, welche die Geschichte nicht unbedingt hergibt. Vor allem das Gefühl, in seinem Leben verlorengegangen zu sein, wird hier schön spürbar. Und auch die anderen haben ihre Glanzmomente, selbst wenn das Ereignis an sich banal oder lächerlich sein mag. Emotional wird der Film dadurch zwar nicht, dafür bleibt er zu sehr auf Distanz, dafür sind die Charaktere auch zu wenig einladend. All My Loving gelingt es aber, das Menschliche hinter der Fassade zu finden, einen daran zu erinnern, wie furchtbar schief das Leben gehen kann, wie einsam es sein kann. Und auch wenn es für einen Feel-Good-Film nicht reicht, trotz eines sehr symbolischen Endes, ein wenig fühlt man sich hier dann doch dazu ermuntert, wieder auf andere zuzugehen, mehr Nähe zuzulassen.



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„All My Loving“ zeigt in drei Episoden die Geschichten von Geschwistern, die alle auf ihre Weise mit dem Leben zu kämpfen haben. Der Film verlässt sich dabei zwar auf Klischees, ist manchmal einer Karikatur nahe, rettet sich aber durch ein fabelhaftes Ensemble, das trotz der großen Distanz zu den Figuren das Menschliche entdeckt.
7
von 10