Für Jen Harding (Christina Applegate) ist das Leben, wie sie es kannte, vorbei. Ihr Mann ist tot, überfahren von einem Unbekannten, der ihn einfach hat auf der Straße sterben lassen. In einer Selbsthilfegruppe hofft sie, wieder zu sich zu finden und neue Stärke zu fassen. Ohne großen Erfolg jedoch, zu groß ist die Wut auf den Unbekannten, der alles zerstört hat. Doch dafür trifft sie in der Gruppe Judy Hale (Linda Cardellini), die ebenfalls einen schweren Schicksalsschlag zu verkraften hat. Trotz ihrer Unterschiede werden die beiden schnell Freundinnen, geeint in ihrer Trauer und dem Schmerz – bis Jen erfährt, dass Judy ihr nicht ganz die Wahrheit gesagt hat.
Der äußere Anschein kann trügen, wie wir alle wissen. Wer das inzwischen vergessen hat oder eine neue Bestätigung braucht, dem sei Dead to Me ans Herz gelegt. Nicht nur, dass so ziemlich jeder hier, der irgendwann einmal durchs Bild läuft, irgendwelche kleinen bis großen Geheimnisse mit sich herumträgt, von denen keiner wissen darf. Die Serie selbst ist nicht ganz das, als was sie verkauft wird. Eine schwarze Komödie soll sie sein, so preist sie zumindest Netflix an. Stimmt aber nicht. Nicht wirklich. Was nicht heißen soll, dass man nicht lachen kann. Das tut man. Oft. Ebenso oft bleibt einem das Lachen aber im Halse stecken, zusammen mit einem ganz anderen Kloß, der sich urplötzlich gebildet hat.
Trauer ist Trauer
Einer solchen Szene begegnen wir recht zu Beginn von Dead to Me, wenn Jen Besuch einer wohlmeinenden Nachbarin erhält, die sich wie so viele den schönen Trauerfall-Floskeln hingibt. Jen kann damit, auch das wird schnell klar, nur sehr wenig anfangen, wirft ihr auf eine bemerkenswert passiv-aggressive Weise ihre inhaltsleeren Worte zurück. Mit einer großen Betonung auf aggressiv. Das ist einer der Running Gags, welche die Serie vor allem am Anfang einbaut: Jens Neigung zu Wutausbrüchen. Legt sie erst einmal los, zuckt man selbst auf dem vermeintlichen sicheren Sofa daheim unweigerlich zusammen.
Das ist eine der Stärken der von Liz Feldman entwickelten Serie: Sie entlarvt die vielen kitschigen Schönfärbungen von Trauer und haut stattdessen mitten ins Gesicht. Oder andere Körperteile. Hübsche Grußkartensprüche werden zurückgefeuert, statt stiller Anteilnahme gibt es explosive Beschimpfungen. Bei Dead to Me dürfen Schmerzen tatsächlich noch weh tun und aus uns schlechtere Menschen machen. An schwierigen Situationen wachsen, wie es manche einfordern oder propagieren? Nichts da, wenn hier zwei Frauen schwere Verluste verkraften müssen, dann sind sie immer kurz davor, daran zu zerbrechen. Und manchmal tun sie es auch.
Ein unverhoffter Tiefschlag
Es ist dieses Nebeneinander von Realismus und Übertreibung, das Dead to Me auszeichnet. Man weiß letztendlich nie, was als nächstes passiert. Was gefühlvolle Andacht sein sollte, verwandelt sich plötzlich in ein komisches Monster. Was auf eine Pointe hinausläuft, reißt auseinander und zeigt uns das Innere des verblutenden Herzens, zeigt den Dreck, zeigt die Abgründe, die wir in uns finden, wenn um uns herum alles auseinanderfällt. Zeigt eine Tragik, vor der sich viele Dramen fürchten würden. Die besten Momente der Serie sind dann auch die, wenn die Grenzen aufgehoben werden, alles irgendwie zusammenkommt.
Das ist vor allem dank des wunderbaren Zusammenspiels von Christina Applegate (Vacation – Wir sind die Griswolds) und Linda Cardellini (Lloronas Fluch) sehenswert, als zwei grundverschiedene Frauen, die in ihrer gemeinsamen Trauer einen Halt finden, den kein Trost ihnen geben kann. Dead to Me beleuchtet die verschiedenen Mechanismen, mit dieser Trauer umzugehen, und erschafft damit zwei ungewohnt komplexe Figuren. Die anderen kommen dadurch jedoch recht kurz, selbst die nächste Familie wird gern an den Rand gedrängt, hat irgendwie nichts zu sagen. Auch die Balance stimmt nicht immer so ganz, wenn manche Elemente vorschnell fallengelassen werden, die Serie an anderen Stellen dafür gern mal auf der Stelle tritt. Aber trotz der kleineren Schwächen, die zehn halbstündigen Folgen sind fix vorbei und lassen auf weitere hoffen. Denn in der Dunkelheit der Trauernden wartet sicher noch mehr, das es sich lohnt, erzählt zu werden.
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