Wenn sich Menschen öffentlich zur Flüchtlingskrise melden, dann sind das meist diejenigen, die Angst vor den vielen Fremden haben oder diese Angst anderer ausnutzen. Oder besser: Das sind diejenigen, die wir am stärksten wahrnehmen. Schließlich wissen sie, wie man sich Gehör verschafft, durch lautstarke Auftritte auf Marktplätzen, befremdliche Beschimpfungen, die im Rahmen von Demonstrationen auf uns herabprasseln. Das macht sich gut in den Nachrichten. Die einen freuen sich, endlich Leute gefunden zu haben, die auch mal Sachen ansprechen, so wie sie sind. Die anderen sind entsetzt über die Wut und Ignoranz des kleinen Mannes. Und der kleinen Frau natürlich auch.
Die Gegenseite? Die Leute, die sich dafür einsetzen, dass auch Flüchtlinge als Menschen aufgefasst werden und nicht elend im Meer ersaufen, weil sie keiner haben will? Die schaffen es eher selten in die Schlagzeilen. Einer dieser Menschen ist Axel Steier, der vor rund drei Jahren Lifeline e.V. mitgegründet hat, einen Verein, der mit einem eigenen kleinen Schiff Flüchtlinge aufliest, die sonst keiner nehmen will. Gegründet wurde diese Menschenretter-Organisation ausgerechnet in Dresden, der Hochburg der professionellen Ereiferer Pegida, die erst einmal grundsätzlich gegen alles und jeden sind, der anders ist. Könnte ja gefährlich werden.
Raus hier!
Ein paar dieser leidenschaftlichen Wutbürger kommen auch in Die Mission der Lifeline zu Wort. Vor allem eine ältere Dame, die Steier vor laufender Kamera den Tod wünscht und als unnützes Mitglied der Lügenpresse beschimpft, brennt sich ins Gedächtnis ein. Denn so stark ist der Kontrast zwischen nettem Erscheinungsbild und ungefiltertem Hass dann doch selten. Dabei ist sie nicht allein, direkt daneben marschieren sie wieder, die braven Bürger, die ihr Land bitteschön für sich behalten möchten, nicht gewillt sind, ihre Kultur an Invasoren zu verlieren.
Der Ausflug zu den organisierten Abgründen bleiben jedoch die Ausnahme in dem Beitrag vom DOK.fest München 2019. Im Mittelpunkt stehen hier eben nicht die krakeelenden Möchtegernopfer, sondern die Leute, die den wahren Opfern helfen möchten. Menschen, die zusammengepfercht aus Schlauchbooten über das Meer schippern, in der Hoffnung, irgendwo ein neues Leben anfangen zu können. Ein Land zu finden, in dem sie nicht wie Tiere behandelt werden, wie ein schwarzer Herr sagt, der unter keinen Umständen nach Libyen will, das Trauma in seinen Augen sichtbar.
Ein Blick hinter die Kulissen
Ansonsten erfahren wir in Die Mission der Lifeline eher weniger über die Leute, die die Lifeline so aufnimmt. Regisseur Markus Weinberg und seine Co-Regisseurin Luise Baumgarten konzentrieren sich stattdessen auf Steier und dessen Mitstreiter und Mitstreiterinnen, lassen sie von ihren Erfahrungen berichten. Die waren von Anfang an schwierig, schon die Finanzierung seinerzeit lief – nach dem Abebben der Hilfs- und Spendenbereitschaft – nicht ganz so wie erhofft. Und auch später gibt es immer wieder Gegenwind, von Pegida und anderen ausländerfeindlichen Organisationen.
Aber auch von oberster Stelle: Menschen retten ist nicht so einfach, auch da gibt es Regeln und Bestimmungen. Für andere etwas Gutes zu wollen, heißt nicht automatisch, das auch tun zu dürfen. Das musste die Besatzung der Lifeline feststellen, als sie zusammen mit mehr als 200 Flüchtlingen an Bord mehrere tage hilflos über das Meer trieb, nirgends anlegen durfte. Wenigstens damit schaffte es mal die Gegenseite in die Nachrichten, wenn schon die normale Arbeit nicht erwähnenswert ist. Auch das hat ein wenig Aufregerpotenzial, diesmal in die umgekehrte Richtung, so wie Die Mission der Lifeline trotz des nüchternen Reportagestils einen mehrfach durch die Mangel nimmt.
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