Dumplin Netflix
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Dumplin’

Dumplin Netflix
„Dumplin’“ // Deutschland-Start: 3. Mai 2019 (Netflix)

Im Leben von Willowdean Dickson (Danielle Macdonald) gab es immer zwei Frauen, die ihr besonders viel bedeuteten: ihre Tante Lucy, welche sie mehr oder weniger aufzog, und Country-Sängerin Dolly Parton, deren Lieder ihr immer Kraft gaben. Das Verhältnis zu ihrer Mutter Rosie (Jennifer Aniston) war hingegen meist schwierig, so richtig viel konnte die ehemalige Beauty Queen nicht mit ihrer übergewichtigen Tochter anfangen. Da beschließt die Jugendliche, die von den meisten nur Will genannt wird, selbst an einem solchen Schönheitswettbewerb teilzunehmen – zum Ärger von Rosie, die noch immer in der Jury sitzt. Doch Will ist fest entschlossen, trotzdem mitzumachen und gegen das gängige Schönheitsideal zu protestieren.

Und noch ein Film, mit dem Netflix die treue Kundschaft im Teeniesektor abholen und möglichst an sich binden will. Das Angebot ist schon jetzt beachtlich, soll zudem ständig weiterwachsen. So hat der Streamingdienst längst Fortsetzungen seiner Hits The Kissing Booth und To All the Boys I’ve Loved Before angekündigt, dazu gibt es auch neue Titel wie das unlängst gestartete The Perfect Date. Das Konzept ist meistens gleich, fast immer geht es darum, dass irgendeine Jugendliche, seltener ein Jugendlicher, sich selbst finden muss und dabei auch gleich die große Liebe abstaubt. Denn nichts gibt mehr Selbstvertrauen, als den Mann bzw. die Frau der Träume an seiner Seite zu haben.

Liebe als Nebeneffekt
Allein deshalb schon ist Dumplin’ erfrischend. Zwar gibt es auch hier ein Love Interest, genauer die ehemalige Sportskanone Bo (Luke Benward), bei der es sich herzhaft schmachten lässt. Aber für die Geschichte ist der eher unwichtig. Wenn Will im Laufe des Films lernt, sie selbst zu sein und sich selbst zu akzeptieren, dann ist das die Voraussetzung für eine mögliche Romanze. Letztere ist aber nicht das Ziel, auch nicht die Belohnung, sondern eher ein kleines Zucker, das es obendrauf gibt, um zu zeigen: Das Leben kann auch als übergewichtiger Mensch richtig schön sein.

Ob das Ganze nun sonderlich realistisch ist, darüber ließe sich streiten. Wenn Will Bo an den Kopf wirft, er könne sich gar nicht für jemanden wie sie interessieren, dann dürften die meisten im Publikum wenn auch leise zustimmen. Ein gutaussehender Junge, der die Beauty Queen sitzen lässt, um mit dem Pummelchen auszugehen? Das klingt nun wirklich nach einem Traum. Aber die Adaption von Julie Murphys Jugendroman will mit eben diesen Bildern brechen. Will Stereotype aussortieren und andere, spannende Alternativen hinzugeben. Dumplin’ – auch das ist besonders – greift nicht einmal unbedingt die schönen Vorzeigemodels an. Der Film sagt nur: Es geht auch anders.

Ein bisschen zu rund
Dass Dumplin’ dabei selbst reihenweise Klischees bedient, ist natürlich etwas unglücklich. Schöner wäre es gewesen, der Film wäre ebenso mutig wie die Hauptfigur, die sich eben doch auf die Bühne traut, auch wenn sie dort eigentlich gar nicht sein will. Stattdessen gibt es hier eine dicke Portion Wohlfühlhonig, der gerade während des obligatorischen Aussöhnungsfinales etwas klebrig wird. Immerhin, kleinere Abweichungen vom Standard gibt es auch dort noch. Der Film zeigt sogar, dass die Anerkennung durch andere gar nicht zwangsweise wichtig ist, so lange man sich selbst treu bleibt.

Damit ähnelt Dumplin’ einem weiteren Film mit Danielle Macdonald: Patti Cake$ – Queen of Rap. Schon damals spielte die Australierin eine Jugendliche, die sich gegen gängige Rollenvorgaben auflehnte. Eine dickliche Weiße, die an Rap Battles teilnimmt? Das ist schon kurios. Und wie damals gibt die Nachwuchsschauspielerin auch hier eine prima Figur ab, wenn sie einen unsicheren Teenager spielt, der sich als Außenseiter zurechtfinden muss. Rap ist hier jedoch weit und breit nicht zu hören. Stattdessen stammt ein Großteil der Musik von Country-Legende Dolly Parton, die sowohl mit alten wie auch neuen Titeln auf dem Soundtrack zu hören ist – darunter dem für einen Golden Globe nominierten Girl in the Movies, komponiert zusammen mit Linda Perry. Die Songs passen mit ihrer süßlich-aufmunternden Art perfekt zu der Geschichte, runden einen schönen Film mit wichtiger Aussage ab, auch wenn die eine oder andere Kante nötig gewesen wäre, um aus dem soliden Mittelfeld hervorzutreten.



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Eine übergewichtige Jugendliche nimmt an einem Schönheitswettbewerb teil, das kann ja wohl nur ein Witz sein. „Dumplin’“ bricht eine Lanze für mehr Abwechslung vom festgetretenen Schönheitsideal und ermuntert Jugendliche dazu, sich selbst zu finden und treu zu bleiben – selbst wenn man anders ist. Das ist sympathisch und in der Hauptrolle toll besetzt, auch wenn die Jugendbuchadaption zum Ende ein bisschen zu gefällig wird.
6
von 10