Jo Pil-ho (Sun-kyun Lee) ist sicher nicht das, was man einen Vorzeigepolizisten nennen würde. Er ist korrupt, er ist gemein, er ist selbstsüchtig. Dass er da ins Fadenkreuz interner Ermittlungen gerät, dürfte niemanden wundern, der ihn kennt. Aber selbst für einen Teilzeitschurken wie ihn gibt es ein paar Grenzen, die er nicht überschreiten würde. Und eine solche wurde definitiv überschritten, als es in einem Polizeilager zu einer Explosion kommt. Denn dummerweise wird er ebenso wie die Jugendliche Mi-na (So-ni Jeon) in die Sache hineingezogen und muss dabei feststellen, dass auf der Seite des Gesetzes noch sehr viel mehr Leute krumme Dinger drehen.
So richtig verstehen muss man das ja nicht immer, was Netflix so treibt. Eigentlich ist man es ja gewohnt, dass der Streaminganbieter dauernd irgendwelche Filme und Serien aus Fernost importiert, dabei jedoch regelmäßig auf eine Synchronisation verzichtet, zu gering ist wohl die Zielgruppe. Dabei spielt es keine Rolle, ob sie nun Blockbuster einkaufen (Die wandernde Erde) oder Geheimtipps wie Us and Them oder Dear Ex: Wer keine Untertitel mag, der braucht sich die asiatische Sektion erst gar nicht anzuschauen. Eine Ausnahme war Anfang des Jahres Kingdom. Allerdings war die südkoreanische Serie eine interne Groß-Produktion, die entsprechend beworben werden musste. Außerdem gab es Zombies. Die gehen immer.
Mehr ist nicht immer mehr
Nun kommt mit Jo Pil-ho: Der Anbruch der Rache ein weiterer Film aus Südkorea zu uns, der synchronisiert wurde. Warum ausgerechnet ihm diese Ehre zuteilwurde, das ist jedoch kaum ersichtlich. Ein eingekaufter Titel, der selbst in seiner Heimat nicht unbedingt der Kassenhit war? Das ergibt keinen Sinn. Aber auch inhaltlich oder qualitativ findet sich kein Grund, warum nun ausgerechnet dieser Film eine Sonderbehandlung erhalten sollte. Nicht, dass der Thriller schlecht wäre. Er ist nur kaum erwähnenswert.
Am meisten sticht natürlich noch die Titelfigur selbst hervor. Actionthriller aus Südkorea setzen üblicherweise auf Helden oder zumindest einigermaßen gute Protagonisten. Pil-ho ist ist das nicht. Wenn ein internationaler Alternativtitel Bad Police lautet, dann schließlich nicht ohne Grund. Hier steht im Mittelpunkt jemand, der gerne andere schikaniert, überheblich ist und alles tun würde, um einen Vorteil zu erhalten. Wenn ein solcher Quasi-Widerling in Schwierigkeiten gerät, dann ist das daher erst mal kein Anlass zu besonderer Trauer. Insgeheim freut man sich vielleicht sogar ein bisschen, wenn ausnahmsweise andere ihm Probleme bereiten.
Wen soll ich hier bitteschön mögen?
Ohnehin, Sympathieträger sind in Jo Pil-ho: Der Anbruch der Rache rar gesät. Die jugendliche Mi-na, die zweite Notleidende des Films, schafft es in Windeseile, einem auf die Nerven zu gehen. Die Gegenseite anzufeuern, funktioniert aber auch nicht so recht. Denn die sind wirklich böse. Und kompetent, was man von Pil-ho nicht immer behaupten wollte. Das Mitfiebern wird auf diese Weise natürlich erschwert, denn so richtig nahe geht es einem nicht, was mit den Leuten hier passiert. Zumal der Film sich, wie so viele Werke aus Fernost, sehr viel Zeit lässt: Mehr als zwei Stunden hätte es hierfür nun wirklich nicht gebraucht. Vor allem der Einstieg ist träge, bis die Geschichte mal Fahrt aufnimmt, hat man schon wieder vergessen, wer die ganzen Leute eigentlich sein sollen.
Solide ist das Werk insgesamt aber schon. Denn auch wenn man Pil-ho nicht unbedingt mag, gar nicht mögen soll, ein bisschen Spaß macht es durchaus, ihm dabei durchzusehen, wie er andere anpöbelt, sich kleine Psychoduelle liefert oder zur Not mal etwas tatkräftiger wird. Wobei die Actionszenen sich zahlenmäßig eher zurückhalten. Regisseur und Drehbuchautor Jeong-beom Lee konzentriert sich lieber darauf, eine groß angelegte Verschwörung aufzuzeigen bzw. eine verkommene Gesellschaft, in der jeder jeden betrügt. Das ist nicht schön, manchmal etwas over the top, auch die Spannung hätte höher sein dürfen. Für einen verregneten Nachmittag reicht es aber allemal.
(Anzeige)