Aoyama ist ein überaus aufgeweckter Junge, der von seiner eigenen glänzenden Zukunft überzeugt ist und für alles eine Theorie hat – manchmal sogar sechs. So auch, als seine Heimatstadt plötzlich von Pinguinen überrannt wird. Woher die kommen und was genau sie hier suchen, das weiß keiner so genau. Umso größer ist der Anreiz für den Jungen, gemeinsam mit seinem besten Freund Uchida der Sache auf den Grund zu gehen. Wäre da nur nicht die schöne Dame, die beim Zahnarzt arbeitet und ebenfalls viel Zeit in Anspruch nimmt. Schließlich weckt sie genauso seine Neugierde durch ihre ganz besonderen Reize.
Mamoru Hosoda (Mirai – Das Mädchen aus der Zukunft) oder Makoto Shinkai (Your Name)? Bei der Suche nach dem aktuellen Anime-Regisseur-Primus der Post-Ghibli-Ära läuft es meistens auf einen dieser beiden Namen hinaus. Dabei stammt einer der schönsten Filme der letzten Zeit von jemandem, den keiner auf dem Schirm gehabt haben dürfte. Aus gutem Grund: Hiroyasu Ishida gibt mit Penguin Highway sein Langfilmdebüt. Auch das für die Animation zuständige Studio Colorido ist noch ganz neu im Geschäft.
Der übliche Wahnsinn
Dafür findet sich bei der Vorlage ein alter Bekannte: Der Anime basiert auf einem Roman von Tomihiko Morimi. Und wer die bisherigen Adaptionen seiner Werke gesehen hat – zuletzt etwa Night Is Short, Walk On Girl und The Eccentric Family – der weiß bereits, dass einen bei seinen Kreationen Vergnügen der etwas anderen Sorte erwarten, voll von Skurrilität und eigenwilligen Ereignissen. Und das gilt dann auch für die Geschichte um den Jungen, der einer unerklärlich auftauchenden Pinguinkolonie auf der Spur ist.
Tatsächlich ist der Mystery-Aspekt einer der Gründe, warum man hier bis zum Schluss dranbleibt. Denn wenn mitten in Japan auf einmal die eher in eisigen Gefilden heimischen Wasservögel auftauchen, dann ist das schon ein wenig erklärungsbedürftig. Zumal sich auch andere Vorkommnisse hinzugesellen, die auf mehrere Weise komisch sind – seltsam und unterhaltsam. Eine wirkliche Aufklärung sollte man sich hingegen nicht erhoffen, Penguin Highway findet einfach Gefallen daran, die jungen Protagonisten wie auch das Publikum mit sonderbaren Szenen herauszufordern, ohne dafür etwas Entsprechendes zu liefern.
Der Alltag hinter dem Absurden
Das soll aber nicht bedeuten, dass der Beitrag der Nippon Connection 2019 ohne Inhalt und tieferen Sinn wäre. Vielmehr verbindet Morimi seine schrulligen Ideen mit einer klassischen Coming-of-Age-Geschichte. Wenn Aoyama, Uchida und Hamamoto gemeinsam die Welt erkunden und nach Erklärungen suchen, dann erinnert das im besten Sinne an vergangene Jugend-Abenteuer. Das Ziel sind eben nicht nur Pinguine, die aus dem Nichts erscheinen, sondern die Welt an sich. Eine Welt, die für die noch jungen Augen groß, unerklärlich, aber eben auch verdammt aufregend ist. Am Ende ihrer Reise wird das Trio etwas erwachsener sein, wird Antworten gefunden haben, selbst wenn so manches Geheimnis auch weiter besteht.
Die wunderbare bittersüße Stimmung von Penguin Highway wird von der gelungenen Optik unterstützt. Zwar ragen die Designs der Figuren nicht ähnlich heraus wie bei den sonstigen Morimi-Adaptionen. Die realistischen Bilder eines sommerlichen Japans laden aber dazu ein, gemeinsam herumzustreunen, nach Pinguinen zu suchen oder auch mal nur im Gras ein gemütliches Picknick zu machen und das Leben zu genießen. Denn insgesamt ist die Atmosphäre schön entspannt, selbst wenn später das Abenteuer doch größere Ausmaße annimmt – wortwörtlich. Man muss schon eine Vorliebe für Geschichten mitbringen, die gleichzeitig realistisch und fantastisch sind, ohne sich je entscheiden zu wollen. Die einen mitnehmen auf eine Reise, die ebenso absurd wie vertraut ist.
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