Pokemon Meisterdetektiv Pikachu
© Warner Bros.

Pokémon Meisterdetektiv Pikachu

Pokemon Meisterdetektiv Pikachu
„Pokémon Meisterdetektiv Pikachu“ // Deutschland-Start: 9. Mai 2019 (Kino)

Eng war ihr Verhältnis nie gewesen, gesehen haben sie sich auch schon seit vielen Jahren nicht. Dennoch ist es ein ziemlicher Schock für Tim (Justice Smith), als er erfährt, dass sein Vater bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen sein soll. Und so macht er sich auf nach Ryme City, wo sein Vater zuletzt gelebt hat und wo Menschen und Pokémon eine friedliche Koexistenz führen. Zumindest bislang. Aber etwas scheint nicht zu stimmen, davon ist das Elektro-Pokémon Pikachu überzeugt, dem Tim in der Wohnung seines Vaters über den Weg läuft. Und auch CNM-Nachwuchsreporterin Lucy Stevens (Kathryn Newton) ist sich sicher, dass Tims Vater an einer großen Geschichte dran war und sein Unfall kein Zufall gewesen sein kann.

Jahrelang wurde in Foren groß darüber diskutiert, ob es nun eine besonders tolle oder eine besonders miese Idee wäre, die aus Videospielen und tonnenweise Merchandising bekannten Pokémon als Realfilm auf die Leinwand zu holen. In Form eines Zeichentricks gibt es sie natürlich schon lange, genauer seit 1997 – ein Jahr nach dem ersten Spiel. Und bis heute ist der Anime nicht totzukriegen. Die Serie umfasst inzwischen bereits über 1000 Folgen, die 1998 gestartete Filmreihe kommt auf immerhin über 20 Teile. Doch es hieß im Anschluss noch einmal zwanzig Jahre warten, bis der Traum von der Live-Action-Variante wahr wurde, als amerikanisch-japanische Koproduktion.

Zwei Welten treffen aufeinander
Wobei die Bezeichnung Live Action vergleichbar fragwürdig ist zu den diversen Disney-Neuauflagen alter Zeichentrickhits. Schließlich entstammt die Hälfte aller Figuren, die hier durchs Bild wuseln, aus dem Computer. Die Vorstellung, dass solche computererzeugten Pokémon in tatsächlich realen Kulissen agieren, die ist natürlich ein wenig kurios. Doch das Ergebnis kann sich durchaus sehen lassen. Regisseur Rob Letterman (Gänsehaut) ließ es sich nicht nehmen, an allen Ecken von Ryme City Monster aus den Spielen einzubauen, ohne ihnen eine Funktion zu geben.

Das erinnert einen wenig an die Muppets seinerzeit oder auch an den entfernten Verwandten The Happytime Murders. Denn so wie bei den Puppen auch finden sich hier animierte Figuren mit der gleichen Selbstverständlichkeit wie die Menschen, lungern in Bars herum, verkaufen auf dem Markt, laufen durch die Stadt. Letztere ist auch einer der Höhepunkte von Pokémon Meisterdetektiv Pikachu, hat mit ihren allgegenwärtigen Tafeln und Anzeigen eine leichte Blade Runner-Atmosphäre. Nur eben etwas bunter und kinderfreundlicher. Und auch sonst ist die Optik erstaunlich stark. Etwas gewöhnungsbedürftig sind die Neuauflagen der Pokémon schon, wenn sie aus CGI-Fell etc. bestehen. Insgesamt haben die markanten Designs den Wechsel aber gut überstanden.

Und wo sind die Kämpfe?
Wirklich genutzt werden die Kultfiguren jedoch kaum. So wie beim ersten Anime-Film seinerzeit Pokémon – Der Film sind die Monster größtenteils nur Dekoration. Gekämpft wird, anders als in der Vorlage kaum. Der Sammelaspekt wurde komplett gestrichen. Pikachu bekommt natürlich jede Menge zu tun, zumal er hier wie auch in dem Spiele-Spin-off Detective Pikachu die Menschensprache beherrscht. Und auch zwei Fanfavoriten der ersten Generation, die übernatürlich begabte Kopfschmerz-Ente Enton und das künstlich erschaffene Übermonster Mewtwo, bekommen größere Rollen. Der Rest muss sich mit Gastrollen begnügen, ist nicht mehr als Fanservice.

Das ist ebenso schade wie das kollektive Versagen des Drehbuchteams, das trotz vier beteiligter Köpfe keine Idee hatte, was es mit dem Szenario anfangen soll. Wie schon bei den Anime-Filmen gelingt es Pokémon Meisterdetektiv Pikachu einfach nicht, das als Serie stimmige Konzept auf Spielfilmlänge auszubauen. Die Ermittlungen sind von Anfang an ein Witz, wenn auch zumindest ein unterhaltsamer, die Gags sitzen oft. Im letzten Drittel wird die Geschichte jedoch zu einem kompletten Unfug, der nicht mehr als ein Vorwand ist, um richtig viel Action einzubauen – jedoch nach wie vor ohne Pokémon-Kämpfe. Das junge Zielpublikum wird angesichts des hohen Tempos gut beschäftigt, es passiert jede Menge, obwohl streng genommen wenig passiert. Dennoch ist der Film in Hinblick auf das Drehbuch von einer Faulheit, die selbst im Bereich Spiele-Adaption bemerkenswert ist. Stichwort: Flashbacks. Aber sei’s drum, als erster Real-Ausflug der Kultfiguren ist das hier durchaus solide, weitere Filme dürfen wie angekündigt gerne kommen. Dann sollte es jedoch bitte mehr Inhalt geben.



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Pokémon als Live-Action-Hybrid, kann das überhaupt funktionieren? Erstaunlicherweise ja, die Kombination aus realen Kulissen mit CGI-Fassungen der Kultmonster hat einen unbestreitbaren, etwas bizarren Charme. Dafür hapert es am Inhalt: Die Ermittlungen von „Pokémon Meisterdetektiv Pikachu“ sind mager, die Geschichte später völliger Unfug. Und auch der Mangel an Pokémon-Kämpfen darf beim nächsten Mal gern behoben werden.
6
von 10