So richtig mag dem kleinen Reginald Kenneth Dwight (Matthew Illesley) in der Familie keiner glauben, dass er unglaubliches Talent besitzt. Weder seine Mutter (Bryce Dallas Howard) und erst recht nicht sein Vater (Steven Mackintosh) sehen in ihrem Sohn etwas Besonderes. Einzig seine Großmutter motiviert ihn zum Klavierspielen und legt damit den Grundstein für seine spätere Karriere. Mit elf Jahren beginnt er, an der Royal Academy of Music zu studieren, und nach seinem Abschluss mit Anfang zwanzig gründet er seine eigene Band, mit der er Soul Sänger aus den USA bei deren Auftritten begleitet. In dieser Zeit inspirieren ihn die dortigen Musiker auch zu seinem späteren Künstlernamen Elton John. Wenige Jahre später stellt er sich dann bei einem neu gegründeten Plattenlabel als Komponist vor und lernt dort seinen zukünftigen langjährigen Songschreiber Bernie Taupin (Jamie Bell) kennen. Die beiden werden ein eingespieltes Team und sehr gute Freunde. Und damit beginnt die ereignisreiche Zeit des heute weltberühmten Sir Elton John (gespielt von Taron Egerton).
Nach Queens Bohemian Rhapsody im vergangenen Herbst erwartet uns nun das nächste musikalische Biopic im Kino. Mit Rocketman wird jetzt Sir Elton John ein filmisches Denkmal gesetzt. Diesmal allerdings ein wenig anders, als man es vielleicht nach dem riesigen Erfolg von Bohemian Rhapsody erwarten würde. Auch der Trailer lässt zunächst einmal filmisch ähnliches vermuten. Erfreulich ist aber, dass Rocketman entsprechende Erwartungen gleich in den ersten Minuten zumindest teilweise entkräften kann. Denn was der Regisseur Dexter Fletcher (Eddie the Eagle), der im übrigen auch dafür sorgte, dass der Film um Queen fertiggestellt werden konnte, hier zaubert, ist wahrlich mitreißender als eben genannter Vergleichsfilm. Rocketman, das bei den Filmfestspielen von Cannes 2019 Weltpremiere hatte, nämlich kommt als relativ buntes Musical daher.
Ein Lied für alle Fälle
Gleich zu Beginn wird man mit einer schön inszenierten Tagtraumsequenz in den Bann gezogen, die verspielt und originell die musikalische Vorstellungskraft des jungen Reginald verbildlicht. Im Verlauf des Film werden wir noch einige weitere Male auf solch fantastische Momente stoßen, welche aber immer so wunderbar integriert sind, dass sie sich trotz allem nie erzwungen anfühlen. Es fällt zwar auf, dass die Effekte hier zum Teil hätten besser ausfallen können, andererseits liegt natürlich der Fokus von Rocketman ganz klar an anderer Stelle. Und das spielt er auch gekonnt aus. Anstatt sich nämlich erwartungsgemäß chronologisch an dem Hitrepertoire abzuarbeiten, bedient man sich situationsgerecht an den Liedern aus unterschiedlichen Zeiten und wird so dennoch alles bekannte wiederfinden.
Und das eben auch in den weniger schönen Moment aus dem Leben des Elton John. Taron Egerton (Kingsman: The Secret Service, Robin Hood) spielt die Musiklegende mit solch einer Hingabe, dass man von ihm nur begeistert sein kann. Und das nicht nur, weil er jeden Song auch unglaublich gut singt. Hier wird dem ein oder anderen gegebenenfalls auffallen, dass die Lieder sich etwas von den originalen unterscheiden. Die eigene Interpretation ist unter anderem der zeitgleichen Aufnahme zum Spiel geschuldet, verleiht aber dem Film eine schöne persönliche Note und wirkt damit um einiges ehrlicher.
Ein weiterer Pluspunkt, den Rocketman verzeichnen kann ist, dass er seinen Nebendarstellern Jamie Bell (Film Stars Don’t Die in Liverpool, Snowpiercer) sowie Richard Madden (Bastille Day, Cinderella), der Johns selbstsüchtigen Manager ziemlich überzeugend spielt, genügend gleichwertige Leinwandzeit verschafft, sodass sie neben Taron Egerton nicht nur schmückende Raumfüller werden. Denn beiden haben bzw. hatten eine bedeutende Rolle im Leben des Musikers.
Ebenso wie die Auswahl der Schauspieler ist die Ausstattung von Rocketman gelungen. Die einst getragenen Kostüme, wurden detailliert nachgearbeitet und eines davon wird sogar zur sinnbildlichen Übertragung seines Versteckens und dann letztendlich Maskerade ablegen. Und so durchwandert Rocketman mit seinen 121 Minuten die bewegendsten Jahre Elton Johns, in denen die schwere Drogenabhängigkeit und die psychische Belastung, die er tragen musste, nicht beschönigt werden, obwohl es sich um ein Musical handelt. In manchen Szenen bricht der Film damit stilistisch sogar, was dann insgesamt aber für einen beständig guten Erzählfluss sorgt und somit durchgängig interessant bleibt.
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