Großmutter Dotty Winkle (June Squibb) liegt im Sterben. Das ist für die einen ein trauriges Ereignis. Andere sind hingegen froh, dass die bösartige Schachtel endlich mal den Löffel abgibt – zumal sie ihre letzten Atemzüge verwendet, um den anderen Familienmitgliedern noch diverse Gemeinheiten und ungewollte Ratschläge zu geben. So auch der 16-jährigen Jamie (Joey King): Sie solle doch besser schon mal anfangen, die Kunst des Blowjobs zu lernen. Tatsächlich gibt es da jemanden, an dem sie das ausprobieren würde: Luke (Jack Kilmer). Dumm nur, dass der gerade im Begriff ist, Priester zu werden.
Nostalgie scheint zuletzt eine weit um sich greifende Krankheit im Bereich des Films zu sein, unentwegt kommen neue Titel heraus, die das Heranwachsen von Jugendlichen mit einem 80er oder 90er Jahre Setting verbinden. Die 00er Jahre sind noch vergleichsweise wenig beackert, sind vielleicht insgesamt auch noch zu frisch, um von früher zu träumen. Aber auch hier gibt es einige Vertreter, allen voran Lady Bird, in dem Greta Garwig ihre eigenen Erfahrungen als Jugendliche in eine wunderbare Coming-of-Age-Geschichte verpasst.
Eine Erinnerung ohne Flair
Summer ’03 will nun in dieselbe Kerbe schlagen, so scheint es zumindest, trägt das Setting sogar praktischerweise im Titel. Der gesamte Film spielt in jenem Sommer vor bald 16 Jahren, als Jamie erkennen musste, wie furchtbar kompliziert das Leben ist. Und Liebe. Und Sex. Doch obwohl die Geschichte im Rückblick erzählt wird, die Teenagerin als Voice-over zu Beginn gleich einmal ein Resümee dieser Zeit gibt, so richtig nostalgisch wird das hier nicht. Das mag damit zu tun haben, dass die Erlebnisse von Jamie nicht unbedingt dazu einladen, sich wehmütig zurückzuerinnern. Sie würde sicher lieber vergessen, was da so im Einzelnen passiert ist. Es liegt aber auch daran, dass es dem Film nicht so recht gelingt, ein stimmiges Ganzes aufzubauen.
Dabei hat Regisseurin und Drehbuchautorin Becca Gleason durchaus einiges zu erzählen. Sie kann sich nur nicht so recht entscheiden, ob sie nun eine bissige Komödie oder doch lieber ein Alltagsdrama drehen wollte. Immer mal wieder geschehen hier eher skurrile Dinge, verhalten sich die Leute auf eine komische Weise. Doch das bedeutet eben nicht zwangsweise, dass das Ergebnis auch komisch ist. Während der Einstieg mit June Squibb (Nebraska) als giftspritzende Sterbende tatsächlich für Erheiterung sorgt, sind spätere familiäre Entgleisungen weniger zielführend. Weder tragen sie zur Charakterisierung bei, noch sind sie sonderlich unterhaltsam.
Das passt nicht so recht
Summer ’03, das auf dem South by Southwest Festival 2018 Premiere feierte, ist daher eine etwas seltsame, letztendlich unbefriedigende Mischung. Für eine tatsächliche Coming-of-Age-Geschichte, in der sich alle wiederfinden können, geht das hier nicht tief genug, findet keine echten Emotionen, beschäftigt sich zu oft mit Absurditäten, als dass man das wirklich ernst nehmen könnte. Für eine reine Komödie ist der Film hingegen zu zaghaft, nicht konsequent genug bei dem Versuch, eine verschrobene, leicht kaputte Familie zu entwerfen.
Wer diese Art Filme mag, kann natürlich reinschauen, zumal Joey King eine sympathische Darstellung der verwirrten Jugendlichen abgibt, die neue Ufer erkunden möchte, aber so gar keine Ahnung hat wie. Auch sonst machen die Schauspieler und Schauspielerinnen nicht wirklich etwas verkehrt. Angesichts der enormen Konkurrenz, die es in diesem Bereich gibt – sowohl quantitativ wie qualitativ – ist Summer ’03 jedoch ein Titel, dessen hiesige Veröffentlichung keine echte Bereicherung darstellt.
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