Wann immer sich eine undurchsichtige religiöse Gruppierung meldet, ist Pastor Park (Jung-jae Lee) zur Stelle. So auch dieses Mal, als er im Auftrag der Kirche einer mysteriösen buddhistischen Sekte auf die Spur geht, die seit Kurzem unterwegs ist und von der niemand genau sagen kann, was sie eigentlich will. Und tatsächlich scheinen die Vorbehalte gerechtfertigt. Denn bald tauchen die ersten Leichen auf. Und je mehr Park und der mit ihm befreundete Mönch Haean (Seon-Kyu Jin) der Sache auf den Grund zu gehen versuchen, umso stärker werden sie in eine Mythologie hineingezogen, die weit zurückreicht.
Schon wieder ein Film über ein von Dämonen besessenes Mädchen? Diesen Eindruck könnte man zumindest beim Netflix-Thriller Svaha – The Sixth Finger gewinnen. Zumal auch Jae-hyun Jang Regie führte, der einem hiesigen Publikum eventuell durch seinen Okkult-Horror The Priests noch in Erinnerung sein könnte. Wir sind dabei, wenn eine Mutter zwei Mädchen gebärt: ein normales, ein weniger normales. Zumindest dürften es die wenigsten als normal empfinden, wenn ein Kind noch im Mutterleib die Schwester etwas anknabbert. Das muss böse enden, tut es auch, jedoch anders als prognostiziert: Der finstere Säugling überlebt, dafür sind kurze Zeit später die Eltern tot.
Aus drei wird (fast) eins
Was dieser Epilog mit dem Auftrag des Pastors zu tun hat, das bleibt lange Zeit offen. Vielmehr ist es so, dass Svaha – The Sixth Finger drei parallele Handlungen erzählt. Eine umfasst die Ermittlungen Parks, eine die Ermittlungen eines Polizisten, dazu gibt es vereinzelt Einblicke in das Leben der inzwischen zur Jugendlichen herangewachsenen Tochter. Mit der Zeit nähern sich die drei Stränge natürlich an, ganz zufällig erfahren wir ja nicht von den diversen Personen. Wer sich davon jedoch am Ende ein klares Bild erhofft, der dürfte enttäuscht sein.
Das liegt zum einen daran, dass Svaha – The Sixth Finger recht wild in der Gegend umherspringt und dabei schon einmal ein bisschen was fallenlässt. Das trifft beispielsweise auf die Figuren zu, die zwischendurch in Vergessenheit geraten. Und auch der gelegentliche Wechsel der Tonalität verwirrt. Wenn etwa Parks Assistentin auftritt, wandelt sich der ansonsten sehr düstere Film fast schon in eine Komödie, mit einem eher albernen Humor obendrein. Das erinnert ein wenig an Jangs Landsmann Joon-ho Bong (Mother), der dafür berüchtigt ist, auf feste Genregrenzen zu pfeifen und inmitten des Abgrunds ein paar Lacher vorzufinden, von denen niemand weiß, wie sie dahingekommen sind.
Rätsel über Rätsel
Vor allem aber weigert sich Jang, der auch das Drehbuch geschrieben hat, sämtliche Rätsel am Ende wieder aufzulösen. Der Film steckt voller religiöser Symbole, sowohl westlicher wie auch fernöstlicher Herkunft. Eigenartige Bilder, Zahlenspielereien, Verweise auf japanische Überlieferungen und Legenden, Überlegungen zu gut und böse – Svaha – The Sixth Finger ist vollgestopft mit fremdartigen Elementen, die zumindest beim westlichen Publikum für jede Menge Verwirrung sorgen dürften. Wenn nicht gar für Frust, wenn man sich am Ende fragt: Und was genau war das jetzt?
Sehenswert ist der Film dennoch, sofern man sich darauf einlassen kann, dass Mystery manchmal eben tatsächlich Mystery bedeutet. Die Atmosphäre ist stark, die Geschichte interessant, auch die Bilder machen einiges her. Als Alternative zu dem zunehmend konformen Genrekino aus dem Westen ist dieses seltsame Werk durchaus zu empfehlen. Svaha –The Sixth Finger ist jedoch, wie so viele fernöstliche Produktionen, ein bisschen zu lang geraten mit der Laufzeit von zwei Stunden. Gerade weil so viele inhaltliche Lücken bleiben, wird das hier nach einer Weile zu einem Geduldsspiel.
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