Das hatte sich der Dieb (Younes Bouab) schon etwas anders vorgestellt. Einige Jahre sind vergangen, seitdem er auf der Flucht vor der Polizei seine Beute unter einem Baum begrub und als Grab tarnte. Als er aus dem Gefängnis entlassen wird, stellt er fest, dass sich einiges geändert hat. Denn ausgerechnet an der Stelle steht nun ein Mausoleum, das einem unbekannten Heiligen gewidmet ist. Dort einfach die Beute wieder ausbuddeln? Kaum möglich. Nicht nur, dass ein Wärter (Abdelghani Kitab) ständig nach dem Rechten sieht. Das Mausoleum erfreut sich zudem einer enormen Beliebtheit unter den Einheimischen – sehr zum Bedauern des neuen Arztes (Anas El Baz).
Das Szenario dürfte hiesigen Zuschauern irgendwie bekannt vorkommen: Ein Dieb kehrt nach seiner Gefängnisstrafe zurück an den Ort, an dem er seine Beute vergraben hat, nur um dort dann festzustellen, dass sich mittlerweile ein öffentliches Gebäude dort befindet. Damit fing vor einigen Jahren die deutsche Erfolgsgeschichte von Fack ju Göhte an. Wirklich vergleichbar sind der Film um einen diebischen Pseudo-Lehrer und die internationale Coproduktion aber kaum, obwohl beide auf ihre Weise jede Menge Komik herausholen.
Und wem folge ich jetzt?
Ein großer Unterschied: War die Schulkomödie komplett auf ihren Hauptdarsteller Elyas M’Barek zugeschnitten, da gibt es hier eigentlich keine Hauptfigur. Der Dieb, der wie so manche andere Figur hier bis zum Abschluss namenlos bleiben wird, ist eher der Anlass, um uns mit in ein Dorf zu nehmen, in dem es vor Bekloppten nur so wimmelt. Auch wenn die Versuche, die vergrabene Beute zurückzubekommen, immer wieder aufgegriffen wird, es ist doch nur eine von mehreren Parallelhandlungen von The Unknown Saint.
Eine der unterhaltsamsten, wenn auch irgendwie tragischsten ist die Geschichte eines Arztes, der sich voller Enthusiasmus in dem Dorf niederlässt, nur um dann festzustellen, dass die älteren Damen aus ganz anderen Gründen zu ihm kommen. Und dann wäre da noch der Bauer Brahim (Mohamed Naimane), der sich beharrlich weigert, sein Land zu verlassen, in der festen Überzeugung, dass es bald regnen wird – auch wenn es das seit nunmehr zehn Jahren nicht mehr getan hat. Aber die Hoffnung stirbt zuletzt, so wie viele hier sich an Überzeugungen und Glauben klammern, die für Außenstehende keinen Sinn ergeben.
Ein Dorf voll komischer Leute
Ein bisschen macht sich Regisseur und Drehbuchautor Alaa Eddine Aljem, der hier nach einigen Kurzfilmen sein Spielfilmdebüt gibt, auch darüber lustig, was die Leute so treiben, was die Leute so antreibt. Eine Religionskomödie ist The Unknown Saint deswegen aber nicht. Und mit dem lautstarken, fluchenden Brachialhumor des deutschen Kollegen hat der Marokkaner sowieso nichts am Hut. Er zieht einen etwas leiseren Humor vor, der sich lieber am Skurrilen erfreut, an verschrobenen Figuren und leicht absurden Situationen.
The Unknown Saint, das während der Semaine de la Critique in Cannes 2019 Weltpremiere feierte, kostet nicht nur diese Situationen genüsslich auch, lässt sich dabei mehr Zeit, als man es heute im slapstickgetriebenen Comedydauerfeuer kennt. Auch die Landschaftsaufnahmen werden sehr ausführlich zelebriert. Zum Glück: Die Ausflüge in die Wüste und das kleine Dorf fesseln das Auge selbst dann, wenn gerade mal nicht wirklich etwas passieren sollte – was in der zurückgenommenen Komödie schon einmal vorkommen kann. Wie eine kleine Theaterbühne wirkt das, auch wegen der starren Kamera. Eine Bühne, auf der alle irgendwie etwas suchen, auf etwas hoffen, dabei aber nicht wirklich vom Fleck kommen.
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