Zuletzt waren im Fokus der Umweltaktivisten vor allem solche Tiere, die sehr klein sind, deren Fehlen man auf Anhieb vielleicht gar nicht so sehr bemerken würde. Vor allem anhand der Bienen wurde darauf aufmerksam gemacht, wie uns die Arten vor der eigenen Haustür wegsterben, unwiederbringlich, sofern nicht schnell etwas getan wird. Wo der Lebensraum unserer tierischen Mitbewohner verschwindet, weil der Mensch sich zu sehr ausbreitet, da verschwinden auch die Tiere selbst. Mit fatalen Folgen, wenn es keine Ausweichorte mehr gibt, den Tieren also die Grundlage genommen wird.
Auch The Whale and the Raven warnt davor, was geschehen kann, wenn der Mensch sich ohne Rücksicht auf andere Lebensformen Gebiete schnappt und nur auf den eigenen Nutzen aus ist. Dieses Mal geht es jedoch um Gebiete, die nicht unbedingt unser direktes Umfeld ausmachen, ins ferne Kanada reisen wir hier. Und auch die Tiere sind etwas größer: Wie der Titel bereits verrät, widmet sich der Dokumentarfilm Walen, die dort ihre Heimat haben. Zumindest noch. Eine gigantische Exportanlage für Flüssiggas ist dort geplant, Supertanker sollen das wertvolle Gut in den Rest der Welt bringen. Doch was geschieht mit den Walen? Das weiß keiner so genau. Es interessiert auch nicht so viele.
Können Wale kommunizieren?
Hermann Meuter und Janie Wray schon. Seit 15 Jahren dokumentieren die beiden Walforscher das Verhalten von Orcas, Buckel- und Finnwalen an der Westküste Kanadas. Vor allem das soziale Gefüge der schwimmenden Riesen wird genau beobachtet. Wie gehen sie miteinander um? Gibt es eine Gemeinschaft? Gefühle? Einige Geschichten, welche die beiden gern mit dem Publikum teilen, legen das zumindest nahe, etwa wenn ein Weibchen ein anderes tröstet, das offenkundig ihr Junges verloren hat.
Eine wissenschaftliche Auseinandersetzung ist The Whale and the Raven, welches das DOK.fest München 2019 eröffnet und dort auch Weltpremiere feiert, nicht. Über die Biologie der Tiere erfahren wir nichts, es gibt keine erläuternden Grafiken oder Statistiken. Wer mehr darüber wissen will, wie genau so ein Wal eigentlich lebt, wie er aufgebaut ist, wie er jagt, der muss sich anderweitig schlau machen. Für die deutsche Filmemacherin Mirjam Leuze sind diese Fragen zweitrangig. Sie legt mehr Wert auf die Menschen vor Ort und deren Faszination für die Wale.
Alle miteinander
Dabei kommen nicht nur die zwei Forscher zu Wort. Auch Vertreter der Gitga’at First Nation, welche in der Nähe leben, dürfen ihre Ansichten mit dem Publikum teilen. Und ihre Mythologien: Wenn von Unterwasserreichen die Rede ist, von Walen, die darüber herrschen, dann zeigt das die enge Verbindung von Mensch und Natur, die dort noch besteht. Aber auch diese Verbindung kann nicht verhindern, was rings um sie geschieht. Die Leute konnten weder die Exportanlage verhindern, noch Jäger, die hierherkommen, um Grizzlies zu erlegen. Als Trophäe, ohne weiteren Nutzen.
Über die Wale hat das natürlich wenig auszusagen. Wohl aber passt es zu dem generellen Ton des Films: The Whale and the Raven ist ein Plädoyer dafür, sich die Natur wieder mit anderen Wesen zu teilen, sie zu respektieren und als gleichwertig anzusehen. Das Beispiel hierfür mögen die Wale sein, die uns in ihrem sozialen Verhalten ähnlicher sind, als wir vielleicht denken. Die uns womöglich sogar überlegen sind, so sagt zumindest Hermann. Die wunderbaren Aufnahmen einer vergleichsweise unberührten Natur rütteln aber ganz allgemein an unserem Gewissen, die Schönheit der Welt nicht allein aus wirtschaftlichen und egoistischen Gründen aufs Spiel zu setzen, denn langfristig verlieren wir damit mehr, als uns lieb ist.
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