Zwischen den Zeilen

Seit vielen Jahren schon arbeiten Lektor Alain (Guillaume Canet) und Autor Léonard (Vincent Macaigne) zusammen. Doch zuletzt hat das enge Verhältnis ein wenig gelitten. Der Grund: Alain, dessen Verlag mit den Folgen der Digitalisierung zu kämpfen hat, will das neue Buch von Léonard nicht veröffentlichen. Doch zu dessen Glück gibt es ja noch Selena (Juliette Binoche), die eigentlich mit Alain verheiratet ist, aber eine kleine Affäre mit dem Schriftsteller hat und auf diese Weise ihre Verbindungen spielen lassen kann. Doch auch Alain hat nebenher eine kleine Geschichte laufen …

Heute gibt es ja praktisch keinen Bereich mehr unseres Lebens, der nicht in irgendeiner Form durch die Digitalisierung verändert wurde, teils sogar von ihr bestimmt wird. Kommunikation findet heute oft in kurzen Nachrichten statt, die gerne auch mal ohne Worte auskommt. Die Arbeitswelt ist ohne E-Mails und Google kaum vorstellbar. Und natürlich hat auch die Unterhaltungsindustrie einiges durchgemacht. Ob nun Musik, Filme oder Literatur, nichts ist mehr so, wie es einmal war.

Ach, ich weiß es doch auch nicht …

Aber wie genau funktioniert das heute? Das weiß in Zwischen den Zeilen auch keiner so genau. Nicht die Leute, die Bücher verkaufen. Nicht die Leute, die sie schreiben. Nicht einmal Olivier Assayas, der hier Regie führte und das Drehbuch verfasste, scheint sich dabei so ganz sicher zu sein. Was im einen Moment noch der letzte Schrei gewesen zu sein schien, ist im nächsten schon wieder vergessen. Umgekehrt laufen vermeintlich überholte Hardcover-Werke auf einmal doch wieder, scheint es gleichzeitig einen Umkehrtrend zu geben. Aber auch dessen kann und will sich hier keiner sicher sein.

Die Tragikomödie, die bei den Filmfestspielen von Venedig 2018 Weltpremiere feierte, hat sich als Thema dabei zwar spezifisch die Auswirkungen auf die Buchbranche ausgesucht. Und doch ist vieles von dem, was hier geschieht, sehr viel allgemeingültiger. Bietet auch für Zuschauer eine Identifikationsfläche, die es selbst gar nicht so mit dem Lesen haben. Wie schon in seinem Film Die Wolken von Sils Maria zeigt er hier Menschen, die in einer sich wandelnden Welt nicht mehr so wirklich zurechtfinden. Die ein bisschen mit den Füßen strampeln und dabei nicht einmal wissen, wohin der Weg überhaupt gehen soll. Die Unsicherheit, die derzeit Alltag ist, weil alles neu, unübersichtlich und sehr schnelllebig ist.

Die Komik des Scheiterns

Überhaupt ist der Film – trotz zahlreicher grundsätzlicher Überlegungen, auch zum Kunstschaffen an sich – sehr viel weniger akademisch, als das Thema vermuten ließe. Stattdessen legt Assayas seinen Schwerpunkt auf die Menschen und ihre Beziehungen untereinander. Das gilt sogar wortwörtlich: Alain und die anderen sind oft mehr damit beschäftigt, mit irgendwelchen anderen Leuten ins Bett zu gehen, anstatt das eigene Leben mal in Angriff zu nehmen. Dieses Geflecht aus irgendwie verkorksten Leuten kann ganz lustig sein, wenn etwa Léonards Frau Valérie (Nora Hamzawi) so gar nicht auf das Gejammer ihres Göttergatten eingeht. Oder wenn sich mal wieder jemand hier völlig lächerlich macht, ohne es überhaupt zu merken. Das übliche Feuerwerk der Eitelkeiten.

Ob diese Mischung aus gesellschaftlich relevanten Themen und der gelegentliche Hang zur Albernheit so gut funktioniert, ist etwas fraglich. Manchmal weiß man gar nicht so genau, was Zwischen den Zeilen denn nun eigentlich sein soll. Durch das ständige hin und her fehlt auch das Gefühl, eine wirkliche Entwicklung mitzumachen. Der Film ist irgendwann zu Ende, ohne dass man wüsste weshalb. Und doch ist der Weg dorthin spannend, gerade für ein Publikum, das sich selbst für die Auswirkungen der Digitalisierung interessiert. Und alleine der Auftritt von Vincent Macaigne (Das Leben ist ein Fest) als völlig unreflektierter Autor ist so unterhaltsam, dass man nur zu gerne dabei ist, wie er sich windet und nach Antworten auf Fragen sucht, die er selbst nicht verstanden hat.