Wer nach Villefranche geht, sollte sich darauf einstellen, dass so manches hier anders ist. Beispielsweise ist das Dorf mehr oder weniger von der Außenwelt abgeschnitten: Der Ort liegt mitten in einem riesigen Waldgebiet, Handyempfang gibt es keinen. Was die Einwohner jedoch beunruhigt, ist etwas anderes: In der letzten Zeit kommt es zu einer auffällig hohen Zahl von Morden, sechsmal über dem Durchschnitt. Auch Laurène Weiss (Suliane Brahim), die örtliche Polizeichefin hat hierfür keine rechte Erklärung. Doch damit will sich Staatsanwalt Franck Siriani (Laurent Capelluto) nicht zufriedengeben. Und so macht er sich auf den Weg, selbst ein wenig Licht ins Dunkel zu bringen – was den Einheimischen wiederum nur wenig passt.
Vorneweg, nein, sonderlich kreativ ist es nicht, was sich Mathieu Missoffe da für seine Serie ausgedacht hat. Als sich der Franzose dran setzte, sein Konzept zu Black Spot auszuarbeiten, kombinierte er letztendlich einfach sehr beliebte Elemente des Krimis bzw. Thrillers. Zum einen beginnt die Geschichte damit, dass ein fest bestehendes Ermittlerteam mit einem Neuankömmling fertig werden muss, der sich in alles einmischt und die bisherigen Methoden infrage stellt. Broadchurch hatte so ein Szenario, auch Candice Renoir vertraute gern darauf. Das wird hier mit einem Waldsetting verknüpft, das ja grundsätzlich unheimlich ist, wie Filme à la The Hole in the Ground beweisen: Dunkel und undurchsichtig muss hier gar nicht viel geschehen, um eine wohlige Spannung zu erzeugen.
Wer ist da?
Der Wald ist dann auch sowas wie der Star in dieser belgisch-französischen Coproduktion. Wie ein riesiges Labyrinth wirkt dieser Ort, in dem man sich schon vom Zusehen her verläuft. Selbst wenn die Polizisten riesige Karten auspacken, um die Suche einzuschränken, fühlt man sich hier von Anfang an verloren. Im Stich gelassen. Und doch nicht allein: Immer wieder schleichen die Figuren durch den Wald, stolpern, fliehen oder jagen. Immer hat man das Gefühl, dabei nicht allein zu sehen. Dass da noch irgendetwas anderes in diesem Wirrwarr aus Bäumen und Büschen unterwegs ist und die Leute beobachtet.
Black Spot spielt dabei äußerst geschickt mit übernatürlichen Elementen. Von eigenartigen Männern im Wald wird gemunkelt, etwas Seltsames geht da vor sich. Regelmäßig stet die Netflix-Serie ganz knapp davor, ins Fantastische hinüberzuwechseln, geht diesen einen letzten Schritt aber nie, lässt das Publikum im Unklaren, was genau dahintersteckt. Selbst wenn im Einzelfall dann doch wieder eine rationale Erklärung erfolgt, Restzweifel bleiben fast immer. Was durchaus so beabsichtigt ist von Missoffe und seinem Team, die Neugierde soll schließlich erhalten bleiben.
Die Vergangenheit stirbt nicht
Das gelingt der Serie auch ganz gut, selbst wenn insgesamt ein wenig die Richtung fehlt. Wie so viele Kollegen aus dem Krimi- und Thrillerbereich setzt Black Spot auf eine Mischung aus akuten Fällen und längerfristigen Geschichten. Während Laurène und Franck mit immer neuen Ereignissen zu kämpfen haben, wenn mal wieder jemand verschwunden ist oder ermordet wurde, ziehen sich andere Handlungsstränge über mehrere Folgen hinweg – darunter das Rätsel um die vermisste Tochter des Bürgermeisters. Aber auch Laurène selbst steht vereinzelt im Vordergrund, wenn alte Geschichten lange Schatten werfen.
Ein wirkliches Gefühl für das Dorf will dennoch nicht aufkommen. Die große Stärke von Black Spot ist die Atmosphäre, die in erster Linie durch die schön unheimlichen Bilder zustandekommt, im geringeren Maße auch durch die etwas aufdringlich ominöse Musik. Die Figuren sind jedoch weniger spannend. Wo besagtes Broadchurch beispielsweise sehr viel Zeit investierte, um die Bewohner und das komplexe Beziehungsgeflecht vorzustellen, da muss man sich hier mit deutlich weniger zufriedengeben. Im Laufe der acht Folgen der ersten Staffel gehen einem die Charaktere einfach nicht nahe genug, um sich als Teil einer Gemeinschaft zu fühlen. Aber es reicht zusammen mit den soliden Fällen, Fans düsterer und rätselhafter Stoffe schauen rein und dürfen sich auf die kurz darauf folgende zweite Staffel folgen, auf die das Ende hier richtig Lust macht.
(Anzeige)