Blue Hour

Blue Hour

Blue Hour
„Blue Hour“ // Deutschland-Start: nicht angekündigt

Der 30. Geburtstag hängt wie ein Damoklesschwert über Sunada (Kaho). Neben der unerfreulichen Routine in ihrem Job als TV-Produzentin und Regisseurin macht ihr vor allem ihre ebenfalls im Alltag versunkene Ehe zu schaffen. Da kommt ihr ein Treffen mit der besten Freundin Kiyura (Shim Eun-kyung) gerade recht, denn die quirlige Fotografin bringt sie nicht nur auf andere Gedanken, sondern fordert sie zudem auf sich diesen Gefühlen zu stellen. Als Sunada dann von ihrer kranken Großmutter erzählt, die in ihrer Heimatstadt Ibaraki im Krankenhaus liegt, beschließt Kiyura spontan, dass sie beide dort hinfahren und bei der Gelegenheit gleich Sunadas Familie besuchen.

In Ibaraki angekommen werden die beiden Frauen mit dem Alltag von Sunadas Mutter (Kaho Minami) konfrontiert, der sich zwischen dem distanzierten Vater (Denden) und dem seltsamen, in sich gekehrten Bruder Sunadas Sumio (Kyusaku Shimada) abspielt. Sunada sieht sich mit einer Realität konfrontiert, die sie auch für sich fürchtet und muss nun endlich entscheiden, was sie in ihrem Leben ändern möchte, oder ob es gar so bleiben kann, wie es ist.

Konzepte für unser Leben
In ihrem Debütfilm, der beim diesjährigen Hong Kong International Film Festival Premiere feierte und im Rahmen der Nippon Connection 2019 auch in Deutschland gezeigt wurde, behandelt die japanische Regisseurin Yuko Hakota ein universales Thema, nämlich die Konzepte, die wir für unser Leben entwerfen und wie schwierig es ist von ihnen loszulassen. Innerhalb ihres Skripts sowie der Anlage der drei weiblichen Hauptrollen zeigt die Filmemacherin drei Lebensentwürfe auf, wobei aus der Perspektive Sunadas heraus keiner von ihnen eine Alternative zu ihrem jetzigen bieten kann. Ähnlich wie die zwei Protagonistinnen in Woddy Allens herrlicher sommerlicher Komödie Vicky Cristina Barcelona ist vor allem sie sich sicher, was sie nicht will, kann sich aber nicht darauf festlegen, was sie in ihrem Leben nun haben möchte.

Die zwei Handlungsräume – die japanische Hauptstadt und die verschlafene Provinz – betonen diese zwei Konzepte des Lebens oder vielmehr die zwei Extreme Sunadas Handlungsspielraums. Die heftige Ablehnung der in ihren Augen frustrierten Hausfrau auf dem Lande, für die ihre Mutter die düstere Metapher ist, ist ein krasser Kontrast zu dem zumindest theoretisch freien Feld, welches die Stadt bietet. Kaho spielt eine Frau, die hin- und hergerissen ist zwischen diese Extremen, die verzweifelt an einem Konzept festhält, welches sich als Sackgasse erwiesen hat.

Nach einem langen Drehtag feiern sie und ihre Kollegen in einer Bar und viele Biere später fängt Sunada über eine Kollegin an zu lästern, meint, dass keine Frau über 40 noch den Job haben sollte, den sie vorher hatte. In diesen Jahren, so bestätigen ihre Kollegen, solle man an die Gründung einer Familie denken, was Sunada, wohl eingeholt von der eigenen Wirklichkeit, zum Schweigen verurteilt. Als bittere Ironie wird wenig später auf einen männlichen Kollegen angestoßen, dessen Frau schon zum zweiten Mal schwanger ist. Die Mischung aus Sehnsucht, Trauer und Enttäuschung im Blick Sunadas sagt einiges über deren Gefühlswelt aus, aber auch über die Diskrepanz zwischen den Lebenskonzepten von Frau und Mann generell in der modernen Gesellschaft.

Segensreiche „Blue Hour“
Beinahe regressiv mutet hier die Rückkehr ins Ländliche an. Verbunden mit den Erinnerungen an Wanderungen im Feld der Farm der Eltern in den frühen Morgenstunden legen einen Sehnsuchtsort fest, eine Zeit, zu der noch alle Türen im Leben offen waren. Diese Szenen, mit denen Hakotas Film beginnt, wie auch viele andere, zeichnet die Kamera Ryuto Kondos als wunderschöne Bilder auf, die nochmals den Kontrast zwischen den beiden Handlungsorten hervorheben. Zum anderen wird hier eine universal verständliche Metapher geschaffen für einen Rückzugsort, eine Sehnsuchtsvorstellung eines Moments, der die Zukunft als einen Raum der Möglichkeit zeigt.



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"Blue Hour" der japanischen Regisseurin Yuko Hakota ist ein schöner, berührender Film über Emtscheidungen im Leben, über das Scheitern von Lebensplänen und wie man damit umgehen kann. Toll gespielt und fotografiert ist Hakotas Debütfilm ein Highlight für Filmfans und die vielen Unentschlossenen im Leben.
9
von 10