Es ist kein besonders gutes Jahr für Jonas Kahnwald (Louis Hofmann). Sein Vater hat Selbstmord begangen, was den Jungen so sehr aus der Bahn wirft, dass er einige Monate in einer psychiatrischen Anstalt verbringen muss – ohne dass seine Mitschüler etwas davon erfahren. Als er wieder zurück ist, droht schon neues Unheil. Ein Junge ist verschwunden, die Ermittlungen der Polizei bleiben bislang ohne Erfolg. Als ein paar Jugendliche die Sache selbst in die Hand nehmen und nach dem Vermissten suchen wollen, verschwindet auch Mikkel (Daan Lennard Liebrenz). Dafür wird einige Tage später eine Kinderleiche entdeckt, die keiner identifizieren kann. Die Panik in der deutschen Kleinstadt Winden wird immer größer, vor allem bei Mikkels Vater Ulrich (Oliver Masucci), der als Polizist bald alle Grenzen überschreitet.
Die Deutschen können kein Genrekino, heißt es immer wieder. Versuche gibt es natürlich immer wieder, von den Abendkrimis einmal abgesehen finden die aber kein Publikum. Noch schlimmer sieht es bei Serien aus, die seit eh und je ein bisschen stiefmütterlich behandelt werden. Seit einiger Zeit ist aber Bewegung in dem Bereich. Ob nun die Spionageserie Deutschland 83 oder auch die Ghettos in 4 Blocks, die düsteren Geschichten finden Gefallen, sogar bis über unsere Landesgrenzen hinaus. Und das gilt auch für Dark, das allein deshalb schon 2017 jede Menge Publicity bekam, weil es die erste deutsche Produktion von Netflix war.
Düstere Stimmung mit diversen Vorbildern
Wobei man der Serie zuerst nicht ansieht, dass sie einem hiesigen Studio entspringt. Man kann auch nicht von einem typischen deutschen Inhalt sprechen. Lässt man einmal den relativ kleinen Strang um ein Atomkraftwerk außen vor – ein Thema, das hierzulande seit den 80ern für Unmut sorgt –, hätte das alles auch problemlos aus den USA, Frankreich oder Schweden stammen können. Verschwundene Kinder? Das ist klassisches Krimimaterial, kommt überall mal vor. Bald wurden deshalb auch Vorwürfe laut, man habe hier lediglich aus dem Ausland geklaut. Die mysteriöse Stimmung wäre an Twin Peaks angelehnt, auch Vergleiche mit Stranger Things lagen auf der Hand. Schließlich handelt es sich bei beiden Serien um Netflix-Produktionen, Kinder spielen eine große Rolle, zudem gibt es jede Menge 80s Retrostimmung.
Nach einiger Zeit gelingt es Dark jedoch, auch eine eigene Identität aufzubauen. Regisseur Baran bo Odar (Who Am I – Kein System ist sicher), der die Serie zusammen mit Jantje Friese entwickelt hat, hat eben nicht nur ein Händchen für eine wohlige Mysterystimmung. Er kombiniert diese mit einer Geschichte, die tief im Science-Fiction-Genre verwurzelt und erstaunlich komplex ist. Man muss hier schon ein wenig besser aufpassen, um den diversen Strängen zu folgen, vor allem wenn sie auf diversen Zeitebenen erfolgen. Schon früh wird hier klar gemacht, dass die Hintergründe der eigenartigen Ereignisse weit zurück in der Vergangenheit liegen. Doch in welcher Beziehung die einzelnen Szenen zueinander stehen, das wird erst nach und nach verraten.
Ein Geheimnis hinter jeder Ecke
Das Hauptaugenmerk von Dark liegt dabei auf den Figuren. Die haben natürlich – Mystery verpflichtet – jede Menge dunkler Geheimnisse. Das ist zuweilen etwas übertrieben, gerade der Hang dazu, Partner und Partnerinnen zu betrügen, ist ein bisschen billig. Allgemein ist die Serie ein wenig zu dick aufgetragen. Das fällt besonders bei der Musik auf, die auf jeden Schritt und Tritt besonders ominös und bedrohlich sein will, was auf Dauer aber die Wirkung deutlich schmälert. Ähnlich wie Weinberg zuvor versucht man hier zu verkrampft, Stimmung zu erzeugen und macht deshalb mehr, als notwendig gewesen wäre.
Das schadet der Serie aber nur manchmal. Die meiste Zeit über bleibt man dann doch gespannt vor dem Bildschirm sitzen. Schon die gräulichen Bilder sind es wert, sie ein wenig im Blick zu behalten. Auch die Kombination von undurchsichtigen Wäldern, ein bisschen Kleinstadt und das Atomkraftwerk, das lange Schatten wirft, passt wunderbar – von seltsamen Tierzwischenfällen ganz zu schweigen. Zum Ende hin kündigt sich zudem an, dass noch einmal mehr hinter allem steckt, vieles hier Folgen von Intrigen ist, von Menschen, die im Geheimen ihre Strippen ziehen und liebgewonnene Charaktere nur Schachfiguren eines bislang nicht ganz zu durchschauenden Spiels sind.
(Anzeige)