Dunkel fast Nacht
© Adam Golec/Aurum Film

Dunkel, fast Nacht

Dunkel fast Nacht
„Dunkel, fast Nacht“ // Deutschland-Start: 7. Juli 2019 (Kino, limitiert) // 10. Oktober 2019 (Kino, regulär)

Lange ist Alicja Tabor (Magdalena Cielecka) schon nicht mehr hier gewesen, in ihrer alten Heimat. Und es ist auch kein besonders schöner Anlass, der sie zurückgeführt hat. Kinder sind verschwunden, drei Stück, und keiner weiß wohin. Für die Journalistin ist das Thema spannend, daraus lässt sich eine gute Geschichte basteln. Und so befragt sie die Menschen, die Angehörigen und Zeugen, versucht die Puzzleteile zusammenzusetzen, an denen die anderen gescheitert sind. Doch während sie so ihrer Arbeit nachgeht, wird sie auch von ihrer eigenen Vergangenheit heimgesucht, denn der Aufenthalt im Haus ihres verstorbenen Vaters weckt Erinnerungen an früher, an ihre Schwester, an ihre Mutter, die sie nie wirklich kennengelernt hat.

Das polnische Kino fristet – trotz geografischer Nähe – hierzulande ein kümmerliches Schattendasein. Wer nicht gerade internationale Berühmtheit erlangt und für Oscars nominiert wird, hat kaum eine Chance, hierzulande noch regulär in die Lichtspielhäuser zu kommen. Insofern ist es schon ein Fortschritt, dass Dunkel, fast Nacht zunächst auf dem Filmfest München 2019 läuft, bevor es im Rahmen eines Kino-Events gezeigt wird. Dieses ist zeitlich beschränkt, inspiriert wohl von den immer häufiger werdenden Events zu russischen und türkischen Filmen. Zwei Tage sind es im Fall der polnischen Produktion. Das ist nicht viel, aber immerhin etwas.

Es darf auch hässlich werden
Vielleicht traute der Verleih dem Film kein größeres Publikum zu und entschied sich deshalb für den begrenzten Rahmen. Das wäre sogar nachzuvollziehen, denn auch wenn Dunkel, fast Nacht einige sehr universelle Qualitäten hat, teilweise ist das schon etwas eigenwillig hier. Die Musik beispielsweise ist ein Fall für sich. Da gibt es klassische Streicher, so dick aufgetragen, als wäre es ihr allerletzter Auftritt. Gleichzeitig sind die von Marcin Stanczyk komponierten Klänge irgendwie fremd, unterstützen eine Atmosphäre, die nicht ganz von dieser Welt zu sein scheint.

Dabei sind die Themen die in dem Krimi angesprochen werden, nur zu real. Mit Kindesentführung fängt es an, auch Rassismus und persönliche Dramen finden ihren Weg in die Geschichte. Manchmal meint man, dass Joanna Bator, auf deren Roman der Film basiert, einen Weg suchte, all das Schlechte und Kaputte und Dreckige dieser Welt zusammenzupacken. Das ist natürlich ein bisschen viel, gerade auch in gestraffter Filmform. Trotz einer Länge von 110 Minuten ist das hier sehr gedrängt. Man muss manchmal schon ein bisschen genauer hinsehen und hinhören, um nicht in dem Wust aus Ereignissen und Erzählungen verlorenzugehen.

Abgründe aus einer anderen Welt
Es ist aber nicht nur die etwas verworrene Geschichte mit ihren kleinen Abstechern und Exkursen, die ihre Probleme macht. Kritisch ist zudem, wie an und für sich schreckliche Ereignisse durch die Künstlichkeit ihre Wirkung verlieren. Gerade das Thema Kindesmissbrauch verliert doch ein wenig seinen Horror, wenn es in ein leicht märchenhaftes Ambiente gepackt wird. Es stellt sich einfach nicht das Gefühl ein, dass hier wirklich etwas Furchtbares passiert. Gleiches gilt für die Antagonisten, die wir später kennenlernen: Sie sind so over the top, als wären sie einem Comic-Buch entliehen.

Und doch ist Dunkel, fast Nacht nicht ohne Reize. Vor allem die Bilder, die Kameramann Marcin Koszalka mitgebracht hat, aus den Wäldern, den kleinen Häusern, den Tunneln und Verliesen, sind wunderbar. Zumindest hier stört das Unwirkliche auch nicht, wie ein kleines Wunderland sind die Aufnahmen, in dem man sich gern wieder und wieder verliert. Doch auch die verzaubernde Verpackung ist auf Dauer nicht genug, um die Spannung aufrechtzuerhalten. Wenn wir Alicja folgen durch ihre eigene Vergangenheit und das düstere Umland, dann gibt es zwar einiges zu bestaunen, aber nicht genug, an dem man sich festhalten könnte. Die Einzelszenen verschwimmen vor dem Auge, locken in die Dunkelheit, wo dann aber trotz der Überfülle nicht genug ist, um dauerhaft bleiben zu wollen.



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Wenn in „Dunkel, fast Nacht“ eine Journalistin das Schicksal von drei verschwundenen Kindern erforscht, dann wird der Film durchaus dem Titel gerecht: Die unwirkliche Romanadaption taucht tief ein in die Abgründe, spricht von Misshandlungen und lange zurückliegenden Wunden. Das ist wunderbar bebildert, aber nur mäßig spannend – es passiert zu viel, ohne dass es am Ende eine tatsächliche Wirkung erzielt.
5
von 10