Das ist schon ein richtiges Wechselbad der Gefühle, das Abel (Louis Garrel) da erlebt. Dass seine langjährige Freundin Marianne (Laetitia Casta) schwanger ist, das ist eigentlich doch ganz schön. Dumm nur, dass das Kind nicht von ihm ist, sondern von dem besten Freund Paul. Das ist der danach nicht mehr, auch die Beziehung von Abel und Marianne ist schnell vorbei. Acht Jahre später ist Paul weg, gestorben, dafür gibt es jetzt Joseph (Joseph Engel), den Sohn. Das wäre doch eine schöne Gelegenheit, um die alte Romanze noch einmal aufzuwärmen. Wäre da nur nicht Ève (Lily-Rose Depp), die jüngere Schwester von Paul, die schon seit Langem ein Auge auf Abel geworfen hat …
Der Franzose an sich hat es ja bekanntlich nicht so mit der Treue, wenn wir dem einschlägigen Bild glauben schenken wollen. Sobald da irgendwo eine halbwegs attraktive Frau herumschwirrt, wird hemmungslos geflirtet, umschmeichelt, kleine Komplimente gemacht, bis die Frau im Bett ist. Louis Garrel, der sonst eher als Schauspieler Ruhm genießt und hier seinen zweiten Film als Regisseur abliefert, ist sich dessen natürlich bewusst. Und er weiß dieses Klischee zu nutzen, mal auf eine direkte, mal auf eine eher ironisch gebrochene Weise.
Äh, was macht ihr da?
Wobei das eine nicht immer so ganz von dem anderen zu unterscheiden ist. Wenn Abel anfangs in einer überaus grotesken Szene von seinem Nebenbuhler erfährt, dann ist das so fernab von jeder Form von Natürlichkeit, dass man nur irritiert auf die Leinwand schauen kann. Ist diese Seifenoper ernst gemeint? Oder soll Ein Mann zum Verlieben eine Karikatur sein? Auch später balanciert die Tragikomödie, die auf dem Toronto International Film Festival 2019 Weltpremiere hatte, immer wieder auf einem äußerst schmalen Grat, lächelt verschmitzt, während die Figuren immer wieder mit sich selbst zu kämpfen haben.
Das kann manchmal leicht surreale Züge annehmen. Kein Wunder: Beim Verfassen des Drehbuchs tat sich das 35-jährige Multitalent Garrel mit seinem inzwischen stolzen 87-jährigen Landsmann Jean-Claude Carrière zusammen. Der hatte eins mit Luis Buñuel zusammengearbeitet und schreibt selbst im hohen Alter fleißig weiter. So etwa bei Julians Schnabel ungewöhnlichem Biopic Van Gogh – An der Schwelle zur Ewigkeit, das ebenfalls gerne mal am eigenen Verstand zweifeln lässt. Offiziell ist hier natürlich keiner verrückt. Erklärungsbedürftig ist es aber durchaus, wenn der kleine Joseph eigenartige Theorien zum Ableben seines Vaters verbreitet.
Aus Liebe zur Liebe
Aber um die Toten geht es hier nicht. Paul beispielsweise wird zwar von Anfang an erwähnt, zu Gesicht bekommen wir ihn aber nicht – weder lebendig noch tot. Vielmehr steht die Frage im Raum, mit wem Abel denn sein Glück finden soll. Ist es seine Langzeitliebe, die ihn nach Strich und Faden betrogen hat? Oder doch die junge Schwester, die leichte Anzeichen von Obsessionen zeigt? Ideal ist natürlich nichts davon. Andererseits, das ist Abel genauso wenig. Mutig ist es, wie Garrel sich hier quasi selbst demontiert. Von einem romantischen Helden kann man hier kaum sprechen, er ist vielmehr der Spielball zweier Frauen, die sich sehr viel mehr darauf verstehen, das andere Geschlecht zu erobern. Abel ist nur irgendwie da.
Was er will, das weiß er gar nicht. Immer wieder stehen die Figuren vor solchen Fragen und finden keine Antwort. Zumindest keine, die zum Glück führt. Da kann selbst die Wahl des passenden Essens zu einem echten Problemfall werden. Skurril ist das sicher, Ein Mann zum Verlieben ist voller verkorkster Leute. Lustig ist das Ergebnis jedoch eher selten. Und große romantische Gefühle sollte man sich ohnehin nicht erhoffen: Das Trio spricht zwar oft darüber, zu spüren ist davon jedoch nur wenig. So wenig, dass man in den Momenten, in denen doch die Emotionen hervorbrechen, wieder das Misstrauen erwacht, ob das jetzt nun echt ist oder eben doch nur ein Spaß, eine ebensolche Fantasie wie die von Joseph, was nun wirklich hinter dem Tod steckt.
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