Wenn Leute sagen, dass alles gut ist, dann weiß man meistens schon: Da ist so gar nichts gut. Erst recht, wenn dieser Satz auch noch in Zusammenhang mit Venezuela genannt wird. Denn das dort nur sehr wenig gut ist, das haben wir auch hierzulande bereits mitbekommen. Immer wieder steht das südamerikanische Land in den Schlagzeilen, weil dort schon seit einer geraumen Weile alles zusammenbrechen droht. Die Menschen haben nichts mehr zu essen, Geld sowieso nicht, hinzu kommt das Kräftemessen mit dem Ausland, das Maduro grundsätzlich als feindlich gesinnt ansieht. Was in diversen Fällen sicher auch der Wahrheit entspricht.
Regisseur Tuki Jencquel interessiert sich jedoch weniger für die internationalen Beziehungen Venezuelas. Vielmehr pickt er sich einen Aspekt des täglichen Lebens heraus, um die Not der Bevölkerung zu verdeutlichen: das Gesundheitswesen. Fünf Menschen hat der in Caracas geborene Filmemacher dabei vor die Kamera gelockt. Ein Aktivist, ein Unfallchirurg, zwei Krebspatienten und eine Apothekerin. Sie alle verkörpern auf ihre Weise, wie marode die Versorgung inzwischen geworden ist, wie schwierig es ist, das Grundrecht auf medizinische Betreuung aufrechtzuerhalten.
Der Kampf gegen die Verzweiflung
Am meisten zu Herzen gehen natürlich die Schicksale der Kranken. Está todo bien – Alles ist gut erzählt, dem Titel entsprechend, dass die Heilung eigentlich ganz einfach ist, dass am Ende alles gut wird. Jencquel hätte diese Beispiele aber wohl nicht ausgesucht, wenn er selbst daran glauben würde. Eine ganze Weile folgen wir den Protagonisten und Protagonistinnen, erfahren von ihren Situationen, den Nöten und Hoffnungen. Wollen ihnen alles Gute wünschen und die Daumen drücken, dass die Situation wieder in Ordnung kommt. Und müssen doch mitansehen, wie alles immer schlimmer wird, wie der Kampf um die Menschen aussichtsloser wird.
Das ist – trotz eines sich dafür anbietenden Themas – weitgehend frei von allzu aufdringlicher emotionaler Manipulation. Jencquel lässt die Geschichten meist für sich sprechen. Geschichten von zunehmend knapper werdenden Medikamenten, die so dringend gebraucht würden. Geschichten von sozialem Einsatz, der leicht selbst in der Katastrophe enden kann, wenn außerhalb der Legalität agiert wird, agiert werden muss. Aber welche Bedeutung hat Legalität noch, wenn sie kein Recht beinhaltet? Wenn die Menschen vor deiner Nase wegsterben und du ihnen nicht helfen kannst?
Eine wirkliche Perspektive hat Está todo bien – Alles ist gut, das hierzulande unter anderem auf dem DOK.fest München 2019 lief, nicht zu bieten. Im Gegenteil: Wenn mit der letzten Einstellung gezeigt wird, wie die Apotheke geschlossen werden muss, dann ist das ein Bild, das auch ohne Worte noch lange nachwirkt. Von den immer mal wieder eingeschobenen Schwarz-Weiß-Performances kann man das weniger behaupten. Die bringen zwar ein wenig Abwechslung in die ansonsten von Interviewszenen dominierte Optik und sollen wohl auch der Verdeutlichung der Situation dienen. Sie sind dann aber doch zu verkünstelt und lenken eher ab, als dass sie dem Film sonderlich viel bringen würde.
(Anzeige)