Fessle Mich Atame

Fessle mich!

„Fessle mich!“ // Deutschland-Start: 16. August 1990 (Kino)

Nachdem er lange Zeit in psychiatrischer Behandlung gewesen war, wird der 23-jährige Ricky (Antonio Banderas) wieder in die Welt entlassen. Ohne zu zögern macht er sich auf den Weg zu Marina (Victoria Abril), eine ehemalige Pornodarstellerin, mit der er einst eine Nacht verbrachte. Am Filmset angekommen wird er Zeuge, wie das Finale ihres neuen Films gedreht wird, des letzten Films von Regisseur Máximo Espejo (Paco Rabal), der meistens mehr Augen für die weiblichen Rundungen seiner Darstellerin hat als für die Qualität des Films. Als sich Marina in ihrem Apartment für die Abschlussfeier des Dreh vorbereitet, wird sie von Ricky überwältigt, der sie alsbald an ihr Bett fesselt. In ihrer Wohnung stellt ihr Ricky seinen Plan vor, denn in seinen Augen geht es nicht um ein Kidnapping, sondern darum sie davon zu überzeugen, dass er der Richtige für sie sei. So lange sie sich nicht in ihn verliebt habe, werde er sie fesseln oder an sich ketten, erklärt er der fassungslosen jungen Frau.

Fesselspiele
Bei seiner Deutschlandpremiere, wie auch bei seiner Veröffentlichung in den Vereinigten Staaten, löste Fessle mich! einige Kontroversen aus, vor allem in Bezug auf die Darstellung der weiblichen Charaktere. Frauen wie Marina oder ihre promiskuitive Schwester Lola (Loles León) genauso wie die Männerfiguren sind Klischeebilder, teils sogar Ausbeuter und entsprechen so gar nicht den Vorstellungen, die man beispielsweise nach Almodóvars Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs von dessen Frauen- und Männergestalten hatte.

Ob eine solche Erwartungshaltung beim Kino des Spaniers angemessen ist, bleibt Ermessenssache. Da dieser aber innerhalb seiner Karriere bis heute immer wieder eben jene Bilder von Weiblichkeit und Männlichkeit verhandelt, genauso wie sie Spielarten körperlicher Liebe, muss man Fessle mich! auch in diesem Kontext betrachten. Hierbei zeigt sich die intelligente Verknüpfung eben dieser Rollenbilder mit dem symbolischen Akt des Fesselns oder eben des Gefesselt-Werdens.

Antonio Banderas sowie Victoria Abril spielen Figuren, die auf verschiedene Arten gefesselt sind. Ricky kann nicht loslassen von seiner Obsession mit Marina, wie auch von einer sehr romantischen Vorstellung von Liebe, die er ausgerechnet mit einem One-Night-Stand verbindet. Diese fehlgeleitete Interpretation führt zu einer zerrütteten Wahrnehmung der Wirklichkeit, wie ihm selbst seine Therapeutin ganz zu Anfang des Filmes attestiert. Selbst seinen Reizen verfallen, des „Gefesselt-Seins“ an ihren Patienten, ist sie ebenfalls seinem Charme erlegen, was zu einer der vielen ironisch-kitschigen Szenen des Filmes führt.

Andererseits sieht sich Abrils Charakter gefangen in ihrer Drogensucht, die sie verzweifelt unter Kontrolle bringen will, sowie dem Ruf der Pornodarstellerin, der ihr anhaftet. Reduziert auf ihre äußeren Reize sehen viele nur ein Abziehbild, ein sich wiederholendes Gesicht auf dem Fernsehschirm, ohne den Menschen wahrzunehmen. Das reale „Gefesselt-Sein“ an Ricky ist ironischerweise auch eine Konfrontation mit jenen oberflächlichen Traumbildern, eine erzwungene Auseinandersetzung mit dem realen Menschen.

We are ready for your close-up!
Natürlich klingt all dies stellenweise nicht nur wie ein B-movie, sondern vielmehr öffnet Almodóvars  und Yuyi Beringolas Skript sich dieser Sicht auf den Film. Innerhalb der künstlichen Realität der Filmindustrie, in der Marina arbeitet, liegt das Interesse eher auf dem Idealbild des Menschen, speziell bei der Sorte Film, die Paco Rabals Figur dreht. Selbst dem Tod wird die Authentizität geraubt, wird innerhalb des Rahmens der Vorstellung gesehen, wenn man Marina verblüfft fragt: „Wie wirst du tot spielen?“ Liebe verliert sich in der zwanghaften Manie des Serienkillers, der als Muskelprotz vor Marinas Figur steht und ihr seine Liebe gesteht, für die bereits viele sterben mussten.

Die Männer und Frauen, die in diesem Metier arbeiten, umgeben sich mit jener Künstlichkeit, sind von ihr gefesselt. So bekommt die machohafte, fast zwanghaft chauvinistische Auftreten des Regisseurs eine beinahe tragische Note, wenn er sich nach einer körperlichen Verbindung sehnt, die er mit den Bildern des Filmes künstlich versucht zu definieren. Eine Männerfigur zwischen Peinlichkeit, Zwang und Romantik, ähnlich dem alternden Johann Wolfgang von Goethe, der noch im hohen Alter versuchte eine jugendliche Schönheit zu verführen.



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„Fessle mich!“ ist eine dunkle Geschichte um Obsession und Liebe, die aber immer wieder ironische Bezüge zur Künstlichkeit des Filmemachens aufweist. Vielleicht nicht der beste Film Almodóvars, aber alleine wegen des cleveren Skripts und der Darsteller einen Blick wert.
7
von 10