Wer vor hat, das diesjährige Filmfest München zu besuchen, der sollte lieber ein bisschen Zeit mitbringen: Rund 180 aktuelle Filme aus 62 Ländern sind es dieses Mal, darunter 118 Deutschlandpremieren und 48 Weltpremieren. Mit einem echten Volltreffer geht es am 27. Juni 2019 los: Die schwarze Komödie The Art of Self-Defense erzählt, wie ein von Jesse Eisenberg verkörperter Niemand durch Karate-Training zu einem Jemand werden möchte – eine bissige Dekonstruktion von Männlichkeitsbildern. Der Abschlussfilm steht hingegen ganz im Zeichen von Frauen, wenn Emma Thompson in Late Night als Talk-Show-Moderatorin gegen politische Korrektheit und jüngere Konkurrenten ankämpft.
Gekämpft wird auch in den diversen Wettbewerben: Neben den gewohnten Awards CineMasters und CineVision gibt es 2019 erstmals auch den CineCoPro, der an Coproduktionen mit deutscher Beteiligung verliehen wird. Gewürdigt werden zudem die Stars Ralph Fiennes und Antonio Banderas, die jeweils einen CineMerit Award erhalten. Die beiden Regisseure Bong Joon Ho und Mads Brügger wiederum sind Thema von eigenen Retrospektiven. Alle vier werden auch in München zu Gast sein und ihre neuesten Werke persönlich vorstellen. Apropos neu: Das herkömmliche Filmprogramm wird dieses Jahr um eine Virtual-Reality-Sektion erweitert. Dazu gibt es Sonderprogramme zu Black Cinema und 100 Jahre Bavaria Film, einer Institution der deutschen Filmproduktion.
Tipps und Must-sees gibt es daher auch ohne Ende. Freunde des fernöstlichen Kinos dürfen sich beispielsweise auf diverse chinesische Beiträge freuen, die schon auf anderen Festivals erfolgreich liefen. Südkorea ist mit dem experimentellen Maggie vertreten, und natürlich auch mit Bong Joon Hos Geniestreich Parasite: Die in Cannes als bester Film ausgezeichnete Genremischung erzählt die Geschichte von zwei unterschiedlichen Familien, deren Schicksale miteinander verschmelzen. Manta Ray wiederum nimmt uns mit nach Thailand, wo ein Fischer und ein Flüchtling aus Myanmar Freundschaft schließen. Wer es etwas heimischer mag, auf den warten die obligatorischen Sektionen Neues Deutsches Kino, Neue Deutsche Serien und Neues Deutsches Fernsehen. Unter anderem laufen dort die lang erwarteten neuen Titel von Jan-Ole Gerster (Lara) und Florian Gottschick (Rest in Greece). Auch die Bauhaus-Serie Die neue Zeit lockt mit großer Besetzung.
Stark vertreten ist zudem mal wieder die Grande Nation, die zeigt, dass sie mehr kann als charmante Liebeskomödien. Die gibt es natürlich auch, beispielsweise Ein treuer Mann von Louis Garrell, der den neu geschaffenen Margot Hielscher Preis erhält. Dazu gibt es das beunruhigende Drama Les Misérables, den bizarren LGBT-Thriller Messer im Herz, das bedrückende Jugendporträt L’heure de la sortie und das gefeierte Coming-of-Age-Drama Une fille facile. Apropos Coming of Age: Das gefeierte Eighth Grade aus den USA wird erstmals in Deutschland gezeigt! Auch das niederländische Meine wunderbar seltsame Woche mit Tess erzählt von den Schwierigkeiten, die man beim Aufwachsen so haben kann. Am anderen Ende befinden sich eine Reihe von Filmen, die sich auf ihre Weise mit dem Tod auseinandersetzen. Vor allem das fantasievolle Trio The Place of No Words, Koko-di Koko-da und Spell sollte man dabei im Auge behalten, die von bewegend bis furchterregend ganz eigene Visionen erschaffen.
Wer sich mehr für die Hintergründe dieser Visionen interessiert, hat oft die Gelegenheit, den Filmemachern und Filmemacherinnen ein paar Fragen zu stellen: Neben zahlreichen Q&As locken vor allem die FILMMAKERS LIVE!, bei denen in Zweiergesprächen oder auch Diskussionsrunden die unterschiedlichsten Themen angesprochen werden. Sollte euch das auf Dauer zu wenig aktiv sein, dann werft einen Blick auf die diversen Partys und filmischen Unternehmungen, die seit jeher fester Bestandteil des Filmfests sind. Mehr Infos und das vollständige Programm auf www.filmfest-muenchen.de.
Unsere Rezensionen vom Filmfest München 2019
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