Happy Lamento
© Kairos Film/Rapid Eye Movies

Happy Lamento

„Happy Lamento“ // Deutschland-Start: nicht angekündigt

Nach 20 Jahren Abstinenz vom Kino meldet sich Alexander Kluge (Deutschland im Herbst) mit einer Dokumentation oder eher einem filmisches Essay zurück. In den rund 90 Minuten von Happy Lamento präsentiert sich dem Zuschauer ein Bilderreigen, der unter bestimmten Oberthemen oder -begriffen zusammengehalten wird, wie zum Beispiel „Zirkus“ oder „Mond“. Neben allerlei Weggefährten Kluges geben sich Künstler wie Heiner Müller oder Helge Schneider die Klinke in die Hand, diskutieren mit Kluge über die Rolle des Mondes über den Menschen oder eben über das passende Instrument, welches man unbedingt auf eine Mondreise mitnehmen sollte.

Darüber hinaus wechselt Kluges Film über wieder über zu Ausschnitten aus Alipato – The Very Brief Life of an Ember des philippinischen Regisseurs Khavn de la Cruz (Ruined Heart: Another Lovestory Between a Criminal & a Whore), der neben dem Leben in Manila auch die herrschende Bandenkriminalität thematisiert. Abgerundet wird dies von weiteren Szenen aus anderen Filmen, Archivaufnahmen, die beispielsweise eine Evakuation eines Zirkus vor dem Einmarsch der Wehrmacht in Polen zeigen, aber auch aktuellen Ereignissen wie einem Staatsbesuch von US-Präsident Trump oder einem G20-Gipfel.

Fröhliches Lamentieren
Laut dem Duden ist eine Bedeutung des Verbs „lamentieren“ das laute und ausgiebige Klagen oder Jammern über einen Zustand. Diese Konnotation, die den Zuschauer eher an eine wütende, vielleicht etwas weinerliche Polemik denken lässt, lässt Kluges Film aber nicht zu. Vielmehr definiert der Titel eine interessante Antithese des „fröhlichen Jammerns“, einer Elegie also, die sich nicht nur als teils freie Assoziation zu einem Thema sieht, sondern bisweilen schon einmal reichlich albern sein kann. Schlussendlich triumphiert hier die Dynamik des Austausches, der abhängig vom Medium eben über Bilder abläuft.

Der Einstieg gestaltet sich sperrig. Der kindlich-naive Texttafeln, welche die Übergänge zu den einzelnen Kapiteln dieses Films liefern, verleiten eher zum genervten Runzeln der Stirn, ein Eindruck, der durch die knallig bunten Bonbonfarben noch bestätigt wird. Die Einteilung des Bildes in drei Segmente, stets begleitet von einer kakofonisch anmutenden Abfolge von Tönen, Stimmen und Musik, entzieht sich dem Drang nach visueller Kohärenz.

Das Verhandeln von Bedeutung
Hinter diesem audiovisuellen Ansatz steckt aber keinesfalls Willkür, sondern die Möglichkeit des Zuschauers, in den Dialog mit den Bildern einzutauchen. In diesem Zusammenhang ergeben sich oft unverhoffte, sehr überraschende Sichtweisen, wenn es zum Beispiel um den Mond als beinahe utopischen Rückzugs- oder Sehnsuchtsort geht, welcher von Menschen unberührt sein muss, laut Heiner Müller. Dieser ziert sich geradezu ein Gedicht über den Mond vorzutragen, was nicht nur an der schlechten Qualität des Geschriebenen liegt, wie er im Vorfeld zugibt. Stellvertretend für das Chaos auf der Erde kann man so die diversen Diskurse über die Bedeutung des Zirkus sehen.

Zusätzlich ergänzt werden diese Bildfolgen, wie bereits erwähnt, durch diverse Szenen aus Khavn de la Cruz‘ Film. Vergleichbar mit den wilden filmischen Kompositionen eines Alejandro Jodorowsky (Santa Sangre, El Topo) verleihen sie dem Film Kluges eine drastische Dynamik, in deren Fokus eine Bande junger Krimineller steht, die sich in den Straßen Manilas eine blutige Schlacht mit der Polizei und anderen Kriminellen liefert. Die übertriebene (Macht-)Fantasie als teils ironischer, teils tieftrauriger Spiegel der Welt lässt sich in De La Cruz‘ Bildern sehen, was die Frage klärt, warum sich Kluge gerade diesen Künstler für einen solchen filmischen Dialog ausgesucht hat. Letztlich vereinigt beide eine Absicht, aber auch die Lust am Spiel mit den Konventionen und den Mitteln des Mediums Film.



(Anzeige)

Alexander Kluges neuer Film, welcher in Zusammenarbeit mir Khavn De La Cruz, entstand, ist ein forderndes Werk, welches gekonnt zwischen Ernsthaftigkeit und herrlicher Albernheit pendelt. Nur offen und gewillt muss man sein diesem Bilderreigen zu begegnen.