2040 werden der Staat Aryavartta und dessen Bevölkerung durch Dr Joshi (Sanjay Suri) streng kontrolliert. Wasser ist ein knappes Gut geworden. Eine Verschwendung hiervon ist ebenso strafbar wie eine Durchmischung der verschiedenen Bevölkerungsgruppen. Das muss auch Shalini (Huma Qureshi) feststellen: Ihr Mann wird vor ihren Augen ermordet, sie selbst in ein Besserungslager gesteckt. Noch schlimmer, ihre kleine Tochter wird ihr weggenommen. Während Shalini im Lager gegen die Unterdrückung und die unmenschliche Behandlung protestiert, wird sie von einem Gedanken angetrieben: Sie muss wieder raus und Leila finden.
Indische Produktionen gab es zuletzt bei Netflix ja nicht zu knapp, seit dem groß beworbenen Start von Der Pate von Bombay kommen regelmäßig Filme und Serien aus dem asiatischen Vielvölkerstaat heraus, die der Streamingdienst in Auftrag gegeben oder zumindest lizensiert hat. Die meisten davon verschwinden relativ schnell wieder in den Weiten des kaum noch zu überblickenden Angebots. Damit eine Neuerscheinung noch hervortritt und wahrgenommen wird, braucht es schon ein bisschen mehr, ein bisschen was anderes.
Kontroverse Warnung
Leila hat das Potenzial, eine dieser Ausnahmen zu sein. Im Netz zumindest sind sehr viele darauf aufmerksam geworden und lassen ihren Unmut an der Serie aus. Verständlich: Zwar spielt die Adaption des gleichnamigen Romans von Prayaag Akbar in einer zukünftigen, fiktiven Welt. Doch die Parallelen zur indischen Gesellschaft sind kaum zu übersehen. Die Einteilung in Klassen, das Verbot der Durchmischung. Auch die drohende Wasserknappheit und die daraus resultierenden Verteilungskämpfe sind uns schon näher, als wir wahrhaben wollen. Daran erinnert zu werden, während wir es uns daheim auf der Couch gemütlich machen, das ist schon nicht so nett.
Aber nett ist an Akbar dystopischer Zukunftsvision ohnehin so gut wie nichts. Der Autor entwirft eine Welt, in der sich jeder selbst der nächste ist, in der Rassismus und Fanatismus längst die Gesetzgebung bestimmen, politische Führung einer Sekte gleichkommt. Ganz so weit ist es bei uns natürlich nicht. Die Demokratie steht unter stetem Beschuss aus allen Richtungen, noch ist jedoch nicht gebrochen. Doch trotz des etwas exotischen Ambientes und der großen geografischen Entfernung – Indien als Herkunftsland ist zu jeder Zeit klar zu erkennen –, die Serie greift auf eine erschreckende Weise bestehende universelle Tendenzen auf und zeigt, was noch alles passieren kann.
Viel Atmosphäre, wenig Gefühl
Wobei es gar nicht mal so ist, dass extrem viel passieren würde in Leila. Die Serie konzentriert sich deutlich mehr auf die sehr bedrückende Atmosphäre. Blasse bräunliche Bilder, die mal die Armut bzw. die schäbigen Umstände zeigen, mal auch leicht ins Futuristische gehen. Von Letzterem sollte man sich aber keine Wunderwerke erhoffen. Das Budget kann es natürlich nicht mit den Hollywood-Schreckensvisionen aufnehmen. Hier ist alles deutlich sparsamer, spartanischer, wenig spektakulär. Tatsächlich wird für eine Gesellschaft im Jahr 2040 so wenig für den technologischen Fortschritt getan, dass man die Geschichte auch deutlich näher am heute hätte ansiedeln können.
Etwas gewöhnungsbedürftig ist auch die emotionale Distanz, die hier herrscht. Shalini ist zwar im Mittelpunkt einer höchst dramatischen Geschichte – eine Mutter will das Kind zurück, das ihr weggenommen wurde –, das überträgt sich jedoch relativ selten auf das Publikum. Mit westlichen Action-Reißern à la 96 Hours hat das ohnehin nichts zu tun, was hier geschieht. Darauf muss man sich dann einlassen können, Leila ist ein eher sprödes Werk, das zum Nachdenken anregen will, anstatt zu unterhalten. Eine unangenehme Warnung, von der man manchmal gar nicht weiß, ob man sie nun sehen und hören wollte.
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