Das fängt ja gut an. Eigentlich wollten der 10-jährige Sam (Sonny Coops Van Utteren) und seine Familie nur eine schöne Zeit miteinander verbringen, als sie zur niederländischen Insel Terschelling fahren. Doch dann bricht sich gleich zu Beginn des gemeinsamen Familienurlaubs sein Bruder seinen Knöchel, was die Laune ziemlich in den Keller sacken lässt. Andererseits lernt Sam dadurch Tess (Josephine Arendsen) kennen. Die ist nett, wenn auch etwas eigenartig. Vor allem hat sie einen eigenartigen Plan: Sie will ihren Vater treffen, der von ihrer Existenz nichts weiß. Sam wiederum bereitet sich darauf vor, ohne Vater zu leben bzw. überhaupt ohne Familie. Denn als Jüngster wird er als Letzter übrig bleiben, sehr wahrscheinlich zumindest. Und da ist es doch gut, wenn man ein bisschen das Alleinsein trainiert hat.
So ein Urlaub ist doch immer wieder eine schöne Gelegenheit, ein wenig die Seele baumeln zu lassen und sich um einen selbst zu kümmern. Das ist zugegeben etwas schwierig, wenn die Familie dabei ist. Da bleibt nur selten wirklich Zeit, um auch mal ein bisschen allein zu sein. Die ständigen Versuche von Sam, eben dieses Alleinsein zu üben, bleiben ohne großen Erfolg. Da tauchen immer irgendwelche Leute auf, die seine Ruhe stören. Sein Bruder zum Beispiel, der in Sams selbst angefertigtes Sandgrab stolpert, das natürlich gar nicht für andere gedacht war. Und auch Tess hat höchstens ein bisschen Spott für sein kurioses Training übrig.
Keine Sorge, alles wird gut!
Andererseits lehrt Meine wunderbar seltsame Woche mit Tess, wie bereits der Titel andeutet: Nur weil etwas nicht so klappt wie gedacht, muss es noch nicht schlecht sein. Da gibt es viele Möglichkeiten auf dieser Welt, sein Glück zu finden. Viele Wege, die aus dem Alleinsein führen und an deren Ende etwas ganz Spannendes warten kann. Es braucht nur ein wenig Offenheit, ein wenig Mut vielleicht auch. Am Ende kommt es sowieso ganz anders, egal ob man sich nun vorbereitet und Löcher buddelt oder nicht. Ob man ewig an Plänen schmiedet oder das Ganze auf sich zukommen lässt.
Meine wunderbar seltsame Woche mit Tess, das auf der Berlinale 2019 Premiere hatte, ist dann auch ein sehr lebensbejahender Ausflug in die Kindheit. Zwischendurch darf man durchaus stolpern, so führt der Film vor Augen. Der Weg geht trotzdem weiter. Die Adaption eines Kinderbuches von Anna Woltz verliert sich jedoch nicht in reiner Schönfärberei. Will mehr sein als bunter Eskapismus für die Kleinen. Dass sich Kinder mit dem Tod auseinandersetzen, das ist schließlich nicht wirklich alltäglich in diesem Segment. Kaputte Familien sind ebenfalls keine Selbstverständlichkeit.
Mal ein Auge zudrücken
Ganz konsequent ist der Film dabei natürlich nicht. Am Ende soll die junge Zielgruppe ja nicht verschreckt werden, ein Happy End muss her, so unwahrscheinlich es auch sein mag. Das kann man bemängeln. Andererseits passt es zu der etwas märchenhaften Stimmung, die in der deutsch-niederländischen Coproduktion herrscht. Dazu tragen auch die schönen Bilder bei, die Sal Kroonenberg auf der Insel eingefangen hat. Bilder, die zwischen typischer Urlaubsidylle und leicht düsteren Orten schwanken, wenn Sam – wenn auch unfreiwillig – die Insel erkundet.
Andere Punkte sind weniger geglückt, darunter eine fragwürdige Aktion zum Ende hin. Auch diese eigenartige Unschlüssigkeit, ob nun Sam oder Tess die Hauptfigur sein soll, darf hinterfragt werden. Aber es macht Spaß mit den beiden diese so seltsame Woche zu verbringen, ein bisschen was über sie und das Leben und überhaupt zu lernen. Die Geschichte um zwei ungewöhnliche, sehr gegensätzliche Kinder ist so charmant, dass man selbst als Erwachsener das eine oder andere Mal zu lächeln beginnt – sei es, weil einem das hier alles bekannt vorkommt oder es komisch findet. Vielleicht auch beides.
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