Auch wenn Juri (Noah Saavedra) erst 21 Jahre alt ist, so ist der Tod doch sein ständiger Begleiter. Zumindest denkt er das, der Hypochonder wird immer wieder von Panikattacken und seltsamen Visionen heimgesucht. Da trifft es sich doch gut, als er nach einem besonders schlimmen Zwischenfall in einem Spielsalon dem leibhaftigen Tod (Marko Mandić) begegnet. So sagt er. So sagt seine Visitenkarte. Juri glaubt beidem natürlich kein Wort, lässt sich aber überreden, mit ihm durch die Stadt zu ziehen. Aus dem Duo wird bald ein Trio, als noch die Stripperin Nina (Vanessa Loibl) hinzustößt und dem Jungen mit der Todesangst neue Lust aufs Leben verleiht.
Wir haben alle irgendwann einmal mit ihm zu tun, ob wir es nun wollen oder nicht. Und doch weiß keiner so recht, wie er sich den Tod eigentlich vorstellen soll. Zum Glück haben uns andere aber im Laufe der Zeit diese Arbeit abgenommen und dieses so schwer fassbare Konzept in Figurengestalt etwas greifbarer gemacht. Vor allem die Darstellung als Sensenmann ist bekannt. Eine etwas andere, alltägliche Form nahm er in der Serie Dead Like Me an, wenn wir einer Gruppe von Leuten folgen, die eine ganz spezielle Aufgabe haben: Die Verstorbenen ins Jenseits begleiten.
Und was machst du so?
Ganz so klar umrissen ist seine Aufgabe in O Beautiful Night nicht. Er will dem jungen Juri noch ein bisschen was vom Leben zeigen, bevor dieser stirbt, erklärt er ihm, bevor er ihn auf einen Trip mitnimmt. Ob er das nun wirklich für den jungen Mann tut oder sich einfach nur amüsieren will, das bleibt offen. Ebenso, warum ausgerechnet er diese Sonderbehandlung erhält. Ganz zu schweigen davon, dass der Film nie ganz eindeutig wird, ob nun wirklich der leibhaftige Tod auf den Trip einlädt oder der mysteriöse Fremde einfach nur einen an der Waffel hat. Dazu passt dann auch, dass er den ganzen Film über keinen Namen erhält. Das Unbestimmte ist hier Teil des Plans.
Aber die Worte treten hier ohnehin sehr schnell in den Hintergrund. Xaver Böhm, der zuvor Kurzfilme gedreht hat, legt bei O Beautiful Night als Regisseur und Co-Autor zwar schon viel Wert auf Skurrilität. Wenn wir hier nachts in Berlin unterwegs sind, begegnen wir ausschließlich eigenwilligen Sonderlingen, die in Bars oder auf Gokart-Anlagen arbeiten. Sofern sie überhaupt einer erkennbaren Tätigkeit nachgehen. Sie haben aber relativ wenig Interessantes zu sagen. Und auch wenn die Geschichte erkennbar schwarzhumorig angelegt ist, wirklich darüber lachen muss man nur selten.
Wunderschön fremde Bilder
Dafür bekommen die Augen mehr als genug zu tun. Von Anfang an hat O Beautiful Night, das auf der Berlinale 2019 Weltpremiere hatte, eine unwirkliche bis morbide Atmosphäre. Und das ist in erster Linie auf die Bilder zurückzuführen, die der Hauptstadt ganz andere unbekannte Seiten entlocken. Düstere Neon-Aufnahmen in den unterschiedlichsten Farben prägen die Szenen, unterlegt mit einem schummrig schimmernden Score, den Böhm zusammen mit Paul Eisenach komponiert hat. Das weitet sich nie zu einem entfesselten Rausch aus, die Atmosphäre bleibt eher entspannt. Aber eben auch seltsam, ein Traum, bei dem man nie ganz sagen kann, ob er ein Traum ist.
Die visuelle Wunderwelt, die Jieun Yi (Blind & Hässlich) da beschert hat, macht den weniger erwähnenswerten Inhalt fast vergessen. Aber eben auch nur fast. Für eine wirkliche Entwicklung bleibt Juri zu sehr passiver Beobachter, der Film wird auch nie so bizarr wie die Werke von Nicolas Winding Refn (The Neon Demon), an dessen Ästhetik das hier manchmal erinnert. Stattdessen lassen sich die Figuren durch die Stadt treiben, ohne Ziel, ohne echten Zug auch. Dem verdanken wir dann zwar Szenen, die wirklich zum Sterben schön sind. Aber eben auch welche, die eher todlangweilig sind: Obwohl nicht einmal 90 Minuten lang, zieht sich der Trip zwischendurch. Sehenswert ist das in der Summe schon noch, aber nicht so mitreißend, wie es hätte sein können.
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