Wenn es eine Eigenschaft gibt, die an dem jungen Shoji „Shottan“ Segawa auffällig ist, dann ist es ironischerweise seine Unauffälligkeit. In der Schule eher schüchtern und introvertiert, taut er allmählich auf, als er eines Tages mit dem japanischen Spiel Shogi vertraut wird. Durch seinen Vater (Jun Kunimura) ermutigt, widmet sein Sohn bald jede freie Minute dem Spiel, dem Studium neuer Spielzüge und dem täglichen Training mit dem ebenfalls von Shogi besessenen Nachbarsjungen Yuya.
Als Jugendlicher in eine renommierte Shogi-Organisation eingetreten, gibt es für Shoji (nun gespielt von Ryuhei Matsuda) keine freie Minute abseits des Spielbretts mehr, muss er doch bis zu seinem 26. Lebensjahr den vierten Rang erreicht haben, um überhaupt noch eine Chance zu haben, als Profi akzeptiert zu werden. Sollte er hierbei scheitern, ist die Arbeit vieler Jahre dahin, was den Druck auf den jungen Mann sehr erhöht.
Schlachten auf dem Spielbrett
Es ist ein nicht geringes Risiko, einem westlichen Publikum eine unbekannte Persönlichkeit zu präsentieren, die zudem noch eine in der Kultur Japans verankerte Sportart wie Shogi spielt. Dem einstigen Shogi-Spieler Toshiaki Toyoda ist diese Schwierigkeit durchaus bewusst, so dass er neben einem biografischen Fokus auf die Person Segawas auch versucht, die Faszination des Spiels zu vermitteln. Dies geschieht vor allem durch eine sehr nahe Kamera, welche die Dramatik einer jeden Partie in schnellen Schnitten einfängt, welche dem Duellcharakter sowie der existenziellen Bedeutung dieses Spiels für den Protagonisten gerecht wird.
So fährt die Kamera Norimichi Kasamatsus, der mit Toyoda bereits bei dessen Debüt Pornostar zusammenarbeitete, wiederholt über das Brett, fokussiert die unzähligen Kerben und das Aufschlagen der Spielsteine, deren lautes Klicken nicht umsonst an Pistolenschüsse erinnert. Im Kontext der rigiden Hierarchie des „shorei-kai“, der Organisation innerhalb derer sich Segawa hoch kämpfen muss, sind dies immer wieder Schicksalsbegegnungen, bei denen mehr auf dem Spiel steht. „Gewinnen ist alles“, wie es an einer Stelle heißt, und an den verbissenen Gesichtern der Kontrahenten kann man den Wahrheitsgehalt dieser Äußerung Ryuhei Matsudas Charakter ablesen.
Ein stiller Aufstand
Allerdings stellt sich schon die Frage, warum einem Zuschauer dieses Schicksal berühren soll. Hierbei punktet Toyodas Skript, der die Schlachtfelder des Spielbretts in die reale Welt verlagert, wenn es sein Segawa nicht nur mit seinen eigenen Dämonen aufnehmen muss, sondern auch noch mit dem strengen Hierarchiedenken der japanischen Öffentlichkeit sowie der unbarmherzigen Leistungsgesellschaft. Ryuhei Matsuda, der mit Toyoda schon in Blue Spring (2001) und I’m Flash (2012) zusammenarbeitete, spielt Segawa als einen introvertierten Menschen, der angetrieben ist von seiner Passion für Shogi sowie dem Wettbewerbsdenken seiner Umgebung. In der Spirale des ewigen Gewinnens gefangen, verliert er nicht nur seine Leidenschaft aus den Augen, sondern verkümmert auch emotional zusehends, wird depressiv und zum Opfer des eigenen Leistungsdrucks.
Der mit den japanischen Autoritäten des Öfteren (zu Unrecht) in Kontakt gekommene Toshiaki Toyoda verbindet diese Geschichte mit den Umwälzungen innerhalb seines Heimatlandes. Angefangen von kulturellen Ereignissen wie dem Aufstieg von Nintendo-Spielkonsolen oder den Giftgasanschlägen auf die Tokioter U-Bahn 1995, rollen diese an der Hauptfigur vorbei, die sich ab einem Zeitpunkt voll und ganz auf Shogi konzentriert. Dennoch bestätigt dieses teils etwas zu offensichtlich eingefügte Zeitkolorit die Divergenz zwischen sich einer immer mehr individualisierenden Gesellschaft auf der einen Seite und einer immer mehr traditionalistisch-konformistischen Politik auf der anderen.
(Anzeige)