Er ist neugierig, manchmal ein klein wenig launisch, steckt dabei voller Fantasie: In den Augen des erst dreijährigen Jungen (Bodhi Palmer) ist die Welt ein Ort, an dem auf Schritt und Tritt ein großes Abenteuer wartet. Am liebsten zieht er mit seinem Vater (Mark Webber) umher, muss Gefahren überwinden, schwierige Passagen meistern und dabei seltsamen Kreaturen trotzen. Der liebt seinen Sohn auch über alles, würde ihm am liebsten alles zeigen und alles teilen. Doch an einer Aufgabe scheitert auch er: Er ist todkrank und weiß nicht, wie er das erklären soll. Denn wie soll man einem Kind erklären, dass es in Zukunft ohne seinen Vater weiterziehen muss?
Einem größeren Publikum dürfte Mark Webber in erster Linie durch seine Arbeit als Schauspieler bekannt sein. Seit einiger Zeit jedoch zieht es in immer wieder hinter die Kamera, um dort seine ganz eigenen Visionen des Lebens zu realisieren. Dabei greift der US-Amerikaner ganz gern auf ein vertrautes Umfeld zurück. In Flesh and Blood (2017) ließ er seine Mutter und seinen Halbbruder Mutter und Halbbruder der Hauptfigur spielen – verkörpert von ihm selbst. In seinem neuen Film The Place of No Words sind nun seine Ehefrau Teresa Palmer und sein Sohn Bodhi Palmer mit von der Partie und stellen im Film Ehefrau und Sohn dar.
Aus dem Leben gegriffen
Diese Vermischung von Privatem und Künstlerischem mag man seltsam finden, zumal seine Filme selbst immer fiktive Geschichten erzählen. In The Place of No Words zahlt sich dieses Vorgehen jedoch aus. Wenn Bodhi mit seinem Vater spielt, mit ihm über pupsende Sümpfe klettert oder sich tierisch darüber aufregt, wenn er gerade nicht ernstgenommen wird, dann ist das von einer Natürlichkeit, wie sie ein Dreijähriger kaum spielen kann. Die beiden müssen dann auch gar nicht viel tun, müssen keine spannenden Abenteuer erleben, um ihnen gebannt zu folgen. Das Drama hat den Charme eines Familienvideos, das völlig unbeeindruckt von einem etwaigen Publikum da draußen für sich weiter macht. Alltäglich und doch einzigartig.
So wahnsinnig viel passiert dann eigentlich auch gar nicht in The Place of No Words. Selbst wenn die beiden anderen Kreaturen begegnen, einem Engel etwa oder zwei potenziell menschenfressenden Bestien, bleibt die Atmosphäre immer entspannt, ein bisschen distanziert auch. Webbers vierte Regiearbeit, die auf dem Tribeca Film Festival 2019 Weltpremiere hatte, wird zwar dann und wann als ein Fantasyfilm bezeichnet. In Wirklichkeit ist es aber ein Drama über eine Vater-Sohn-Beziehung, die an einem wichtigen Scheidepunkt ist, selbst wenn der Vater sich davor drückt, diesen anzuerkennen und offen anzusprechen.
Trauer ohne Tränen
Das Thema selbst würde sich als tränenreiches Melodram anbieten. Ein kleines Kind, das seinen Vater verliert? Ein Vater, der genau weiß, dass er sein Kind nicht mehr vor den Gefahren in der Welt da draußen beschützen kann? Das ist schon härterer Stoff, so weit ihn ein normales, alltägliches Leben hergibt. Die Welt wird weitergehen, es werden weiter Kreaturen durch die Gegend streifen, nicht wissen, dass da ein Mensch weniger ist, den sie fressen können oder nicht. Das ist traurig, aber auch tröstlich, so wie The Place of No Words abwechselnd ein Lächeln aufs Gesicht zaubert und einen tieftraurig zurücklässt.
Webber verweigert sich dabei jedoch der billigen Sentimentalität. Der Film ist ebenso rau wie die Landschaften, durch die Vater und Sohn streifen. The Place of No Words, das im Rahmen des Filmfests München nach Deutschland kommt, gibt keinen Ausweg aus der Situation, versüßt nicht durch wohlmeinende Glückskekssprüche das Dilemma des Vaters. Das werden die einen als unbefriedigend empfinden, ein derart hochemotionales Thema derart nüchtern zu betrachten. Die anderen werden aber genau diesen unspektakulären Zugang zu schätzen wissen, wenn der mit vielen Auslassungen erzählte Film uns an einen Ort entführt, an dem es keine Worte mehr gibt, vielleicht auch nicht geben kann. Der eben daraus auch seine Kraft bezieht, dass er uns mit dem Thema allein lässt und jeder seine Antworten suchen muss.
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