Der Erste Weltkrieg hat endlich ein Ende gefunden. Doch für viele geht der Schrecken im Anschluss direkt weiter, darunter auch Fidelis Waldvogel (Jonas Nay). Der gelernte Metzger leidet noch immer unter den traumatischen Erfahrungen, die er an der Front gesammelt hat. Auch beruflich gibt es nach seiner Rückkehr keine echten Zukunftsperspektiven. Also machen er und Eva (Leonie Benesch), die schwangere Freundin seines gefallenen Kameraden, sich auf den Weg, in den USA ein neues Leben zu beginnen. Tatsächlich sind seine Würste, die er nach alten Rezepten aus der Heimat fertigt, in der Fremde sehr gefragt. Doch auch wenn das Paar schnell Anschluss findet, die Sehnsucht nach Deutschland lässt ihn nicht los …
Man hätte ja ein bisschen meinen können, dass auf dem Filmfest München 2019 Chor-Themenwoche war. Im englischen Fisherman’s Friends – Vom Kutter in die Charts wird basierend auf einer wahren Geschichte ein Fischerchor zu einer Charts-Sensation. Bei den dänischen Kollegen von Out of Tune lauschen wir den nicht immer ganz harmonischen Klängen eines Gefängnis-Männer-Gesangsverein. Deutschland wiederum holt in Der Club der singenden Metzger – der Titel verrät es – ein paar Fleischermänner vors Mikrofon. Zumindest fast: Die Vorlage selbst kommt aus den USA, genauer von der Schriftstellerin Louise Erdrich.
Dramatischer Neuanfang
Es ist aber nicht allein dieser (inter-)nationale Aspekt oder auch der Umfang der deutschen Romanadaption – Der Club der singenden Metzger wurde fürs Fernsehen als insgesamt 180-minütiger Zweiteiler produziert –, der das hier von den obigen Kollegen unterscheidet. Vor allem die Stimmung ist doch deutlich anders. Auch wenn der Titel es vermuten ließe, ist die TV-Geschichte so gar nicht komisch. Das etwas skurrile Szenario einer Gruppe singender Metzger verbirgt einen recht tragischen Inhalt, der eine Reihe ernster Themen anspricht. Mit einem solchen geht es gleich los, wenn Jonas Nay (Deutschland 83) als Soldat wider Willen die Schrecken des Krieges erlebt und anschließend mit nach Hause bringt – ein typisches Kriegsdrama eben.
Sehr viel weniger typisch, sogar recht ungewöhnlich, ist jedoch, die Geschichte deutscher Auswanderer zu erzählen. In einer Zeit, in der hierzulande mit viel Leidenschaft gegen Menschen gehetzt wird, die einem kriegszerstörten Land entfliehen und ein neues Leben beginnen wollen, kommt diese Umkehrung schon fast einer Provokation gleich. Als wolle man dem wütenden Mob mit dem Blick in die eigene Geschichte ein bisschen den Spiegel vorhalten: Schaut her, Deutsche sind früher auch in andere Länder gegangen, weil es ihnen hier schlecht ging! Ob das tatsächlich den Effekt der Reflektion mit sich bringen wird, das darf man bezweifeln. Interessant ist es aber schon.
Gemeinsame Selbstsuche
Dabei hält sich das von Altmeister Uli Edel (Der Baader Meinhof Komplex, Houdini) inszenierte Werk von politischen Aussagen völlig fern, das Thema der Immigration ist hier nur von einer sekundären Bedeutung. Sehr viel mehr ist der Zweiteiler an den konkreten Figuren interessiert und der Frage: Was bedeutet es für die Menschen, so weit weg von der Heimat zu leben? Zu einer Zeit wohl rund hundert Jahren wohlgemerkt, wo zum einen Fernreisen nicht die Alltäglichkeit von heute hatten, in einer Welt vor dem Internet, die noch sehr viel weniger global und vernetzt war. Wer damals in der Fremde war, der war auch wirklich in der Fremde, konnte sich nicht mal eben Freunde und Familie digital vor Augen führen oder News in der eigenen Sprache lesen. So eigenartig es sich für heutige Ohren anhört, alte Volkslieder zu singen, um zusammen weniger allein zu sein, so rührend ist es auch.
Vieles wirkt hier dann auch zwangsläufig etwas altmodisch und fremd, trotz aktueller Thematiken – darunter der Umgang mit den Ureinwohnern, so ein bisschen Rassismus kommt schließlich nie aus der Mode. Die USA werden hier nie zu dem Land der Träume, dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Wobei Träume natürlich schon eine große Rolle spielen: Jeder, der hierher kam, hatte sie im Gepäck, ebenso Nöte, Sorgen und Sehnsüchte. Zirkusartistin Delphine (Aylin Tezel) und ihr Vater, der Clown Robert (Sylvester Groth), leben sogar davon, Illusionen zu erzeugen und die Menschen im Publikum ein wenig den Alltag vergessen zu lassen. So wie Der Club der singenden Metzger einerseits ein bisschen Eskapismus ist, ein typischer TV-Event, wenn wir in eine so seltsam lang zurückliegend erscheinende Welt eintauchen, mit ein bisschen Nostalgie vielleicht auch. Der Zweiteiler ist aber doch nah genug an den Figuren, um sich irgendwo selbst in dieser gefühlvollen Geschichte wiederzufinden, die von Freundschaft und Liebe erzählt, vom Suchen und Verlieren – sei es kulinarisch, künstlerisch oder zwischenmenschlich.
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