Sie alle sind gekommen, Giraffen und Vögel, Elefanten und Antilopen, um ihm die Ehre zu erweisen: Simba. Schließlich handelt es sich bei ihm um den Sohn des Löwen Mufasa, der als König über die Savanne herrscht, so wie es Simba eines Tages auch tun wird. Mufasas Bruder Scar ist darüber jedoch gar nicht glücklich, da er selbst Ambitionen auf den Thron hat, die nun mit dem Nachwuchs ein jähes Ende finden. Oder vielleicht doch nicht? Der verschlagene Löwe beschließt, sich nicht einfach diesem Schicksal zu fügen und schmiedet zusammen mit den verhassten Hyänen einen Plan, wie sie den König stürzen können, um so selbst dessen Platz einzunehmen.
Und der Ausverkauf geht weiter. Nachdem 2019 bereits Dumbo und Aladdin gesehen hat, schnappt sich Disney bereits zum dritten Mal innerhalb weniger Monate einen alten Zeichentrickklassiker, um daraus ein Live-Action-Remake zu machen. Oder das, was manche als Live Action verkaufen wollen. Die kommerzielle Ausbeute dieser Plünderungen in der eigenen Schatzkiste schwankt mitunter ein wenig. Im Großen und Ganzen sind die Neuauflagen aber eine lohnenswerte Angelegenheit für den Mäusekonzern. Und das wird mit Sicherheit auch für Der König der Löwen gelten, schließlich war der zugrundeliegende Film von 1994 über viele Jahre der erfolgreichste Animationsfilm aller Zeiten, steht noch immer unter den All Time Top 10.
Zurück im Tierreich
Das ist ein schweres Erbe, dass da angetreten wird. Allerdings zeigte Regisseur Jon Favreau schon vor einigen Jahren, dass er sich hiervor nicht fürchtet. Schließlich transportierte er 2016 mit The Jungle Book schon einmal einen heiß geliebten Klassiker in die Neuzeit, damals interpretierte er Das Dschungelbuch neu. Bestätigt von dem großen Erfolg des Remakes – der Film spielte weltweit knapp eine Milliarde US-Dollar ein –, wurde ihm auch die Aufgabe übertragen, Der König der Löwen wiederauszugraben. Die Entscheidung war naheliegend, aus kommerzieller wie inhaltlicher Sicht. Schließlich leben beide Filme von der Vielzahl an Tieren, die in der Wildnis zusammenleben.
Und doch, so ganz traute man Favreau wohl nicht bei dieser Cash Cow. Vielleicht verließ ihn aber auch selbst ein wenig der Mut. So oder so: Während The Jungle Book aus der bekannten Vorlage etwas Neues machen wollte, als tatsächliche Alternative, da ist Der König der Löwen mehr oder weniger eine reine Kopie des Originals. Dann und wann wurde etwas erweitert, damit der Film die obligatorische Zweistundenmarke noch erreichte. Eine tatsächliche Bereicherung wie die hinzugefügten Figuren bei Aladdin ist hier aber weit und breit nicht zu finden. Weder bei der Geschichte noch den Charakteren oder der Musik ging man irgendwelche Wagnisse ein, das musste alles so sein wie damals. Zumindest fast.
Zwei Welten, eine Stimme
Gewöhnungsbedürftig ist die Neugestaltung von Scar. Aus einem finsteren, aber doch mächtigen Löwen wird hier ein Gerippe eines Tiers, das im direkten Kampf keine Chance hat – was dieser auch zugibt. Und doch ist dieser Wandel noch einer der wenigen interessanten Aspekte von Der König der Löwen, der unheimliche Anblick des zersausten Antagonisten passt gut zu der Figur. Ansonsten ist die rein am Computer erstellte Optik ein gemischtes Vergnügen. Beeindruckend ist es natürlich, was die Rechnerkünstler aus der Materie herausgeholt haben, an vielen Stellen muss man schon sehr genau hinschauen, um zu erkennen, dass wir nicht wirklich in Afrika unterwegs sind. Doch dieses Bekenntnis zum Realismus hat auch seine Schattenseiten. Der Verzicht auf die Vermenschlichungen des Vorbilds führt dazu, dass die Tiere auch stärker auf Distanz bleiben, keine Mimik zeigen dürfen, um Gefühle zu vermitteln. Immer wieder hat man den Eindruck, hier eigentlich eine Naturdoku anzuschauen, bei der ein Sprecher per Voice over seine eigenen Gedanken überstülpt – siehe etwa Maleika.
Diese Kombination aus Sicherheitsdenken und CGI-Realismus führt dazu, dass Der König der Löwen wie alle Remakes aus der Reihe letztendlich nur zweite Wahl ist. Es fehlt die Ausdruckskraft des früheren Mediums, als die Künstler noch eigene Visionen mit in die Savanne bringen konnten, das Farbspektrum ausnutzten, Grenzen nach Belieben auflösen konnten. Hier sind die so starr wie die Regeln des Königs. Unterhaltsam ist der Film aber auch in der Fassung, zumal das Original auch schon seine visuellen Probleme hatte mit dem Mix aus Zeichentrick und am Rechner erstellten Elementen. Die Geschichte, die an alte Shakespeare-Dramen erinnert, gehört nach wie vor zu den düstersten der großen Disney-Filme. Und natürlich hat es auch der beliebte, schon damals kitschige Soundtrack zusammen mit dem Hang zum Pathos in die Neuauflage geschafft. Das dürfte wieder für volle Kinokassen sorgen, mit einer Mischung aus Fanservice und Techdemo, auch wenn es bei so manchem für Wehmut sorgen wird, wie viel auf dem Weg ins Computeralter verlorengegangen ist.
(Anzeige)