El Niño (Jesús Castro) und sein Kumpel Compi (Jesús Carroza) leben in einer kleinen spanischen Stadt in der Nähe von Gibraltar. Viel zu tun gibt es dort nicht, ebenso gering sind auch die Möglichkeiten, Geld zu verdienen. Während sich El Niño mit dem Reparieren von Motorbooten über Wasser hält, träumt Compi davon, eine eigene Bar aufzumachen. Doch dann bietet sich ihnen eine weitere Möglichkeit: im Auftrag von Rachid (Moussa Maaskri) Drogen von Afrika nach Spanien schmuggeln. Das ist natürlich nicht ohne Risiko, dafür sind die Verdienstmöglichkeiten gigantisch. Und so bleibt es dann auch nicht bei diesem einen Auftrag, obwohl ihnen der Polizist Jesús (Luis Tosar) schon längst auf den Fersen ist.
Mit ein bisschen Arbeit richtig viel Geld verdienen, klar ist das verführerisch. Es ist vor allem dann verführerisch, wenn man ansonsten keine großen Aussichten auf Reichtum hat oder es sehr schnell gehen muss. In der Filmgeschichte wimmelt es dann auch vor Beispielen, wie zunächst unbescholtene Bürger plötzlich zu Drogenkurieren werden, was eine Zeit lang gut geht, bevor dann am Ende unweigerlich das Kartenhaus zusammenkracht. Das ist schließlich Gesetz, egal ob sich nun 90-Jährige (The Mule) oder Vorstadtjugendliche (White Boy Rick) daran versuchen.
Der Traum vom großen Glück
Im Gegensatz zu den beiden obigen Beispielen basiert El Niño – Jagd vor Gibraltar nicht auf einer wahren Geschichte. Doch das Prinzip ist so ähnlich, dass man keinen Zweifel daran hegt, es könnte sich so oder ähnlich abgespielt haben. Das liegt auch daran, dass Regisseur Daniel Monzón, der hier wie in Yucatán zusammen mit Jorge Guerricaechevarría das Drehbuch geschrieben hat, erst einmal eine ganze Weile mit den jungen Männern verbringt, bevor es wirklich losgeht. Wer sind Niño und Compi? Was tun sie? Wovon träumen sie? Der Film zeigt uns erst das Ziel, danach die Mittel, was die spontane Kriminalisierung nachvollziehbarer macht.
Auch sonst lässt El Niño – Jagd vor Gibraltar gerne mal ein bisschen den Blick schweifen und zeigt die unterschiedlichsten Themen auf. So muss sich die Polizistin Eva (Bárbara Lennie) mit Sexismus bei der Arbeit herumplagen, die fehlenden Perspektiven der jugendlichen Bevölkerung kommen zur Sprache, der Konflikt zwischen England und Spanien bezüglich des Besitzes von Gibraltar darf nicht fehlen, selbst die Immigration von Afrika nach Europa taucht hier als Thema auf – bei einem Film von 2014 wohlgemerkt. Vieles davon geschieht aber nur beiläufig, wird nie in den Mittelpunkt gerückt.
Zu viel und zu wenig
Das Ergebnis ist etwas zwiespältig. Auf der einen Seite ist es schön, wie Monzón und Guerricaechevarría ihre Geschichte ausweiten wollen und ihnen ein bisschen mehr Kontext geben. Zusammen mit dem für uns eher ungewohnten Setting von Gibraltar schaffen es die beiden, ihrer Version des Geschehens ein bisschen mehr Eigenständigkeit zu verleihen. Allerdings zieht es den Film auch unnötig in die Länge. Mehr als 130 Minuten ist El Niño – Jagd vor Gibraltar lang, was einfach zu viel ist, wenn die eigentliche Handlung dann doch meistens zu sehr nach Schablone ist. Da hätten diese genrefremden Elemente entweder noch stärker in Richtung Drama ausgearbeitet werden müssen oder an anderer Stelle gekürzt. So aber ist der Thriller zwischenzeitlich recht langweilig.
Immerhin, ein paar interessante Actionszenen gibt es. Wenn sich die Jungs auf dem Wasser winden, während sie die Polizisten an Bord eines Hubschraubers verfolgen, dann ist das eine witzige Alternative zu den üblichen Verfolgungsjagden. Und auch die wechselseitigen Beschimpfungen – Verbrecher und Gesetzeshüter verwenden bei der Arbeit ein auffallend ähnliches Vokabular – haben einen gewissen Unterhaltungswert. Das reicht dann zwar auch nicht aus, um die gesamte Laufzeit über zu füllen. Aber ein bisschen Berieselung am Abend ist ja manchmal auch nicht verkehrt. Zumal sowohl die Landschaften wie auch die Besetzung einiges fürs Auge bieten und so etwas vom Inhalt ablenken.
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