Geheimnis eines Leben
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Geheimnis eines Lebens

Geheimnis eines Lebens
„Geheimnis eines Lebens“ // Deutschland-Start: 4. Juli 2019 (Kino) // 14. November 2019 (DVD/Blu-ray)

87 Jahre ist Joan Stanley (Judi Dench) inzwischen, führt ein unspektakuläres, ruhiges Leben als Rentnerin. Doch das war nicht immer so. Als junge Frau (Sophie Cookson) kam sie über ihre Freunde Sonya (Tereza Srbova) und Leo (Tom Hughes) mit dem Kommunismus in Berührung und wird durch diese überzeugt, ihre Position bei einem streng geheimen Nuklear-Forschungsprojekt zu nutzen, um Erkenntnisse an die Russen weiterzugeben. Denn nur wenn alle Seiten über dieselben Waffen verfügen, so die Überzeugung, könnte in dem Land Frieden herrschen. Tatsächlich ist sie erstaunlich geschickt dabei, bis ins hohe Alter konnte ihr niemand auf die Schliche kommen.

Es liegt ein bisschen in der Natur der Sache, dass wir uns bei älteren Menschen nur schwer vorstellen können, dass sie mal ganz jung und vielleicht auch ganz anders waren. Geheimnis eines Lebens spielt damit dann auch, wenn wir hier zu Beginn eine reizende Großmutter sehen, die so gar nichts Schlimmes in ihrem Leben angestellt haben kann, es dann auch doch faustdick hinter den Ohren hatte. Dieser Kontrast soll neugierig machen. Vielleicht war er aber auch einfach nur dafür da, damit Judi Dench (Philomena, Victoria & Abdul) in dem Film eine Rolle bekommt und so für ein bisschen Star-Glamour sorgt.

Umständlich bis zum Ende
Inhaltlich hätte es diese zwei Zeitebenen nicht unbedingt gebraucht. Eigentlich ist die Rahmenhandlung um die ältere Joan, die von einer Spezialabteilung verhört wird, sogar ziemlich überflüssig. Oft wird sie nur dafür verwendet, ungestört von Ereignis zu Ereignis springen zu können, ohne sich um die Übergänge Gedanken machen zu müssen. Es schadet Geheimnis eines Lebens sogar, wenn hier doch recht viel vorweggenommen wird, man höchstens noch darauf warten kann, wie und warum es zu den Zwischenfällen kam, von denen wir zu Beginn erfahren. Alternativ kann man sich über die etwas ungelenken Versuche ärgern, das Ganze zu dramatisieren, ohne dabei etwas zu erzählen zu haben.

Es sind aber nicht allein die überflüssigen und letztendlich langweiligen Zwischenstopps in der Gegenwart, die bei dem Film enttäuschen. Auch die eigentliche Haupthandlung um die junge Joan, die gemeinsame Sache mit den Kommunisten macht, fesselt nicht auf Dauer. Dabei ist das Schicksal der Teilzeit-Spionin durchaus interessant. Was bringt einen Menschen dazu, freiwillig sein Heimatland zu verraten und Waffengeheimnisse an den Feind zu geben? Die Antwort ist hier ein bisschen diffus. Teils war es die echte Überzeugung, auf diese Weise einen Krieg verhindern zu können. Teils war es auch persönlich motiviert. Wenn der eigene Freund, zudem noch unverschämt gutaussehend, den Verrat verlangt, kann das ja wohl alles nicht so schlimm sein.

Viel Stoff, wenig Spannung
Aus dieser Theorie der Balance of Power hätte durchaus auch eine interessante Diskussion werden können, irgendwo zwischen Politik und Moral. Stattdessen konzentriert sich der neue Film des Theaterregisseurs Trevor Nunn stärker auf den romantischen Aspekt der Geschichte. Das ist naheliegend, war der Freund doch letztendlich der Auslöser. Außerdem kann man auf diese Weise noch ein bisschen mehr Prickeln erzeugen – die Spannung der Spionage trifft auf die Spannung der Liebe. Nur das diese Spannung eben nicht eintritt, Pathos an die Stelle echter Auseinandersetzung tritt. Wenn einem schon nichts wirklich einfällt, dann kann man es ja zumindest noch ein bisschen dicker auftragen.

Das ist mindestens schade, wenn nicht gar ärgerlich, auf jeden Fall aber eine Verschwendung: Geheimnis eines Lebens nimmt eine ungewöhnliche Lebensgeschichte und verwandelt sie in ein durch und durch gewöhnliches Spionagedrama, das weder mit der Vorlage, noch der Besetzung richtig viel anfangen kann. Ansehen kann man sich das Ergebnis zwar schon, das auf dem Toronto International Film Festival 2018 Weltpremiere feierte, gerade auch wer eine Vorliebe für historische Stoffe mit etwas Herzschmerz hat. Alternativ kann man aber auch den Wikipedia-Eintrag über Melita Stedman Norwood, die als Inspiration für Jennie Rooneys Roman diente, lesen. Das geht schneller und ist informativer als der zähe Film.



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„Geheimnis eines Lebens“ erzählt, inspiriert von einer wahren Geschichte, wie eine Britin Geheimnisse an die Russen weitergab. Das hat interessante Gedanken und ist natürlich prominent besetzt. Spannend ist der Film jedoch kaum: Von der überflüssigen Rahmenhandlung über die mangelnde Auseinandersetzung bis zum Hang zum Pathos steht sich das Spionagedrama immer wieder selbst im Weg.
4
von 10