Als Stella (Jella Haase) am helllichten Tag und auf offener Straße von zwei Männern gepackt und in ein Auto gesteckt wird, weiß sie nicht, wie ihr geschieht. Um einen Zufall handelte es sich dabei jedoch nicht. Vielmehr haben Vic (Clemens Schick) und Tom (Max von der Groeben) die Entführung schon von langer Hand geplant. Schließlich wollen sie dadurch jede Menge Geld von ihrem Vater erpressen, einem reichen Industriellen. Nach Plan verläuft im Anschluss aber nur wenig. Zum einen ist Stella nicht das wehrlose Töchterchen, das sie von ihr erwarteten. Aber auch ein paar Geheimnisse, die das Trio mit sich herumträgt, sorgen immer wieder für Spannungen.
Netflix macht jetzt auch auf Deutsch! Dass der US-amerikanische Streamingdienst inzwischen hierzulande produziert, das dürften die meisten mitbekommen haben, es wurde ja auch genügend Werbung dafür gemacht. Bislang beschränkte sich das Angebot jedoch auf Serien, darunter die auch international beliebte Mystery-Serie Dark und How to Sell Drugs Online (Fast) über einen Jugendlichen, der von seinem Kinderzimmer aus zum Drogenhändler wird. Deutsche Filme gab es hingegen keine im Sortiment, zumindest keine selbst produzierten. Allein deshalb schon sollte Kidnapping Stella eine etwas größere Aufmerksamkeit sicher sein.
Billiger Import von der Insel
Wobei, so ganz deutsch ist der Film dann doch nicht. Genauer lieferten die Briten die Vorlage in Form von Spurlos – Die Entführung der Alice Creed, ein trotz prominenter Besetzung nur wenig bekannter Low-Budget-Thriller aus dem Jahr 2009. Viel Geld dürfte auch das deutsche Remake nicht erfordert haben, zumindest der Schauplatz wird wenig gekostet haben: Ein Großteil der Geschichte spielt in der kleinen Wohnung, in der Stella festgehalten wird. Am teuersten wird noch die Besetzung gewesen sein, mit Max von der Groeben und Jella Haase sind immerhin zwei der derzeit bekanntesten Shooting Stars Deutschlands mit an Bord, beide berühmt geworden durch die Fack ju Göhte Trilogie.
Mit ihren bekannten Dumpfbacken-Rollen von damals haben die zwei hier jedoch gar nichts am Hut. Vor allem Stella fällt dadurch auf, dass sie kein bloßes hübsches Ding ist, dessen Gedanken am Make-up klebenbleiben. Sie ist überaus wehrhaft, hat auch manipulative Tendenzen, wenn sie fieberhaft nach einem Weg sucht, aus ihrem Gefängnis wieder herauszukommen. Über sie als Figur erfährt man dennoch nur wenig, gleiches gilt für die beiden Entführer. In Halbsätzen schimmert vereinzelt mal durch, mit wem wir es eigentlich zu tun haben. Ausgearbeitet werden diese Punkte aber nie so wirklich, es bleibt bei sehr diffusen Schemen.
Das Problem der Distanz
Grundsätzlich ist das bei Thrillern auch nicht unbedingt nötig, da kommt es dann doch mehr auf die Handlung als auf die Charaktere an. Im Fall von Kidnapping Stella ist das dennoch irgendwo eine verpasste Chance, schließlich wird das Geschehen sehr von der Interaktion und den wechselseitigen Verhältnissen bestimmt. Die Entführung ist eben nicht nur eine Entführung, sondern das Ergebnis einer langen Vorgeschichte. Die persönliche Note spielt daher eine wichtige Rolle und wird doch nie wirklich mitreißend, der Film behält eine Distanz bei, die es erschwert, richtige Anteilnahme zu zeigen und mitzufiebern.
Das soll jedoch nicht bedeuten, dass der Film völlig frei von Spannung ist. Kidnapping Stella, das auf dem Filmfest München 2019 Weltpremiere feierte, fesselt eine ganze Weile durch das verkommen-klaustrophobische Setting und das Gefühl, anderen ausgeliefert zu sein. Hinzu kommen die üblichen Demütigungen, die eine Entführung so mit sich bringt und die einen auch dann noch unangenehm sind, wenn man sie aus sicherer Distanz vom heimischen Sofa aus beobachtet. Nur ist das eben auch eines der Probleme des Films: Vieles hier ist zu üblich. Regisseur und Drehbuchautor Thomas Sieben (Staudamm) verpasst es, sich von dem ohnehin nicht sehr originellen Original zu lösen und etwas Eigenes daraus zu machen. Viele der Szenen kommen einem selbst dann bekannt vor, wenn man die Vorlage nicht kennt, die auftretenden Konflikte sind so mechanisch, dass sie keine große Wirkung entfalten. Für den Heimgebrauch reicht das, als bloßer Zeitvertreib. Einen längerfristigen Eindruck hinterlässt das trotz des engagierten Ensembles jedoch nicht.
(Anzeige)