Am mangelnden Einsatz liegt es nicht, dass Juri Yukawa einfach keinen Job findet. Bewerbungen hat sie schließlich genug geschrieben, auch diverse Bewerbungsgespräche geführt. Nur genommen wurde sie nicht. Dafür wurde ihr etwas genommen, genauer jemand: Ihr Bruder und ihr Neffe wurden entführt! Aber wie sollen sie die die horrende Lösegeldforderung erfüllen, noch dazu in so kurzer Zeit? Ihr Großvater hat die Antwort, schließlich wird in der Familie Yuakawa seit Generationen das Geheimnis gehütet, die Zeit anzuhalten. Gemeinsam wagen er, Juri und Juris Vater sich in die Stasis genannte zeitlose Gegenwart und müssen dabei feststellen, dass auch andere dort unterwegs sind.
Wer hat nicht schon einmal davon geträumt, die Zeit anhalten zu können? Mal möchte man vielleicht nicht, dass ein besonders schöner Moment endet. Vielleicht ist es aber auch der akute Stress, der den Wunsch hervorruft, in Ruhe alles fertig machen zu können. Oder man möchte einfach nur mal wieder ausschlafen, ohne dass der Wecker sich dauernd zu Wort meldet. So oder so, es gibt viele Dinge, die man tun könnte, wenn die Zeit eine Auszeit ist und man selbst der einzige ist, der sich noch frei bewegen kann.
Wenn der Ausnahmezustand Alltag wird
In Kokkoku: Moment für Moment geschieht aber so gut wie nichts davon. Aus verständlichen Gründen: Juri und ihre Familie haben alle Hände voll damit zu tun, die restlichen Mitglieder zu retten und sich nicht von den Leuten ermorden zu lassen, die ebenfalls in der Stasis unterwegs sind. Wer gedacht hat, die Yukawas könnten es sich vielleicht ein bisschen gemütlich machen, sieht sich getäuscht. Aber auch das Publikum, das darauf aus war, ein wenig Mystery-Stimmung auszukosten, geht leer aus. Die Familie geht so schnell zum alternativen Alltag über, als hätte sie nie etwas anderes gekannt.
Das soll aber nicht heißen, dass nicht ein paar Fragen im Raum stehen. Diese betreffen nicht nur den Stein, mit deren Hilfe die Yukawas in die Stasis reisen, oder auch die finsteren Gestalten, welche den Zwischenstopp für ihre Zwecke nutzen wollen. Auch die eigenwilligen bis bizarren Monster, die immer wieder auftauchen, provozieren das eine oder andere Fragenzeichen. Teilweise löst sich das wieder auf, Kokkoku: Moment für Moment hat schon auch Antworten auf Lager. Sie ergeben nur nicht wirklich Sinn bzw. drücken sich vor den viel drängenderen Fragen. Vor allem das Ende ist in der Hinsicht schon sehr dreist, der Anime gibt sich nicht einmal die Mühe, die eigene Sprachlosigkeit zu verstecken.
Ist das schon alles?
Aber selbst wer darüber hinwegsehen kann, dass Kokkoku: Moment für Moment Umständlichkeit mit Komplexität verwechselt, darf hier einiges bemängeln. So gibt es in der Adaption von Seita Horios gleichnamigen Manga keine echte Entwicklung. Manche der Figuren werden vielleicht mal die Seite oder die Meinung wechseln, doch das war es auch schon. Der restliche Anime besteht daraus, dass immer irgendjemand durch die Gegend läuft und von der anderen Seite geschnappt bzw. angegriffen wird. Wäre daraus wenigstens ein echter Duellcharakter entstanden, der nach und nach auf beiden Seiten Opfer fordert, das hätte ja durchaus spannend sein können. So aber ist die Serie über weite Strecken ohne nennenswerte Konsequenz, spielt mit Horrorelemente, bringt auch mal Gedanken ein, nur um alles sofort wieder aufzugeben.
Wenn es Regisseur Yoshimitsu Ohashi (Witchblade) trotz dieser frustrierenden Unzulänglichkeiten gelingt, das Publikum sämtliche zwölf Folgen an sich zu binden, dann weil er ein Händchen für Atmosphäre hat. Kokkoku: Moment für Moment erinnert an Endzeitgeschichten, wenn sich die Protagonisten durch eine Quasi-Geisterstadt bewegen. Die anderen Menschen sind zwar noch da, können sich aber nicht bewegen, was eine schön gespenstische Stimmung erzeugt. Wobei die Animationen, wenn sich doch mal was bewegt, durchaus ordentlich sind. Das neu gegründete Geno Studio, eine Art Nachfolger des bankrotten Animationsstudios Manglobe (Samurai Champloo, House of Five Leaves), gibt hier allgemein einen vielversprechenden Einstand, auch wenn die Optik – bedingt durch den Inhalt – nicht die abwechslungsreichste ist.
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