Maria (India Eisley) tut sich schwer damit, einen Platz im Leben zu finden. An der Schule wird sie gemobbt, sofern die Außenseiterin überhaupt Beachtung findet. Und auch bei ihren Eltern (Jason Isaacs, Mira Sorvino) kann sie nicht wirklich auf Unterstützung zählen. Ihr einziger wirklicher Gesprächspartner ist ihr Spiegelbild, dem sie all ihre Sorgen und Nöte erzählt, all ihre kleinen Geheimnisse und Sehnsüchte. Doch eines Tages reicht es ihrem Gegenüber nicht mehr, tatenlos zuzuhören. Stattdessen schlägt es Maria vor, den Platz zu tauschen, um sich so um die Sachen zu kümmern, die bei ihr im Argen liegen.
Das Bild des Doppelgängers wird bekanntlich immer wieder gern im Bereich Krimi, Thriller bzw. Mystery aufgegriffen. Schließlich ist die Vorstellung, dass jemand da draußen ist, der genauso aussieht wie wir ebenso rätselhaft wie unheimlich. Hinzu kommt, dass dieses Alter Ego oft auch noch ganz anders ist als der Protagonist bzw. die Protagonistin. Forscher. Cooler. Vielleicht auch böser. Der Roman Der seltsame Fall des Dr. Jekyll und Mr. Hyde von Robert Louis Stevenson ist quasi die Blaupause für eine solche Geschichte. Aber auch in Filmen ist dieses Thema immer mal wieder zu finden, etwa in Freddy/Eddy oder kürzlich in Wir.
Die Wahrheit hinter den Spiegeln
Look away greift zusätzlich auf ein anderes beliebtes Motiv zurück, das in Märchen oder auch Alice hinter den Spiegeln zum Einsatz kam: der Spiegel. Darin finden wir nicht nur unser exaktes Ebenbild. Vielmehr enthüllt es je nach Geschichte verzerrte Versionen oder auch solche, die wir ganz gerne verstecken würden. Die hässliche Wahrheit, von der wir nicht wollen, dass andere sehen. Die wir vielleicht auch selbst nicht sehen. Daraus nun einen Thriller zu basteln, in dem ein Spiegelbild in die Realität eintritt und dort Unheil anrichtet, das ist dann vielleicht nicht der originellste Einfall. So lange aber die Umsetzung stimmt, dürften sich dennoch wenige darüber beklagen.
Dumm nur, wenn es eben an dieser Umsetzung hapert – wie es hier der Fall ist. Dass sich Regisseur und Drehbuchautor Assaf Bernstein sehr viel Zeit lässt, bis er mal zum Punkt kommt, könnte Genrefreunde bereits das Vergnügen verleiden. Und doch ist die gemächliche Einführung, die bis weit in die zweite Hälfte des Films reicht, noch der gelungenere Aspekt von Look Away. Auch wenn Bernstein sicherlich kein Freund allzu großer Subtilität ist – die Vehemenz, mit der er Maria zum Opfer macht, unabhängig von jeglicher Balance, ist schon beachtlich –, zumindest lässt er keinen Zweifel daran, dass die gepeinigte junge Frau viele Gründe hat, mächtig böse sein zu wollen. Und genug Ziele vor Augen hat, an denen sie ihre unterdrückten Gefühle auslassen kann.
War das schon alles?
Was aber beispielsweise in Rape-and-Revenge-Thrillern à la Revenge zu einem Guilty Pleasure wird, wenn die ganzen miesen Gestalten ihre „gerechte“ Strafe erhalten, ausgerechnet das fällt hier sehr enttäuschend aus. Und überraschend harmlos. Nun muss sicher nicht jeder Genre-Vertreter in gedärmespritzenden Gewaltorgien enden. Er sollte aber zumindest spannend sein. Genau das fehlt aber. Wer als nächster in Look away dran glauben muss, steht immer schon vorher fest. Auch die Art und Weise des Ablebens ist so banal, dass die entsprechenden Momente an einem vorüberziehen, ohne dass sie in irgendeiner Form als Höhepunkt durchgehen könnten.
Erwähnenswert ist in dieser Langeweile lediglich eine Szene, die als eine der kuriosesten Verfolgungsszenen in diesem Genre durchgehen dürfte. Das ist ja immerhin schon mal was, Lachen ist schließlich besser als Langeweile. Ansonsten warten nur die üblichen Klischees und Dümmlichkeiten, die so oft in diesem Bereich die Laune verderben. Dass zudem eine blendend aussehende weiße Frau wie India Eisley als Mobbing-Opfer herangezogen wird, die zudem noch mittels plastischer Chirurgie aufgehübscht werden soll, ist eine nur schwer zu schluckende Pille. Da ändern auch die grundsätzlich wandlungsfähige Darstellerin und ein paar schöne Bilder nichts mehr, Look away ist öde Wegwerfware, die weder dem Mobbing-Thema, noch den Genreansprüchen gerecht wird.
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