My Days of Mercy
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My Days of Mercy

My Days of Mercy
„My Days of Mercy“ // Deutschland-Start: 11. Juli 2019 (Kino)

Schon seit vielen Jahren müssen die Geschwister Lucy (Ellen Page), Martha (Amy Seimetz) und Ben (Charlie Shotwell) ohne Eltern auskommen. Ihr Vater sitzt im Todestrakt eines Gefängnisses, weil er seine Frau und Mutter der drei getötet haben soll. Seither versuchen die beiden Schwestern, die Hinrichtung juristisch irgendwie noch aufzuhalten, nehmen außerdem an zahlreichen Protestaktionen teil, die sich gegen die Todesstrafe als solche richten. Dabei lernt Lucy eines Tages Mercy (Kate Mara) kennen und lieben, aus den beiden wird bald schon ein Paar. Doch einfach ist diese Beziehung nicht, schließlich ist Mercy eine Verfechterin der Todesstrafe.

Der bekanntere Streit um Leben und Tod, der die US-Bevölkerung entzweit, ist sicher der um die Abtreibung. Die Frage, ob ein menschliches Leben noch vor der Geburt beendet werden darf, ist für viele so elementar, dass ganze Politikerkarrieren darauf aufbauen. Aber auch der Umgang mit der Todesstrafe ist sehr umstritten, wird von Bundesstaat zu Bundesstaat anders gehandhabt. Während beispielsweise in Texas und Alabama 2019 bereits Hinrichtungen stattfanden, aber auch in zahlreichen anderen Menschen zum Tode verurteilt sind, verzichten ebenso viele völlig darauf. Ungefähr die Hälfte aller Bundesstaaten hat die Todesstrafe noch, wodurch die USA heute das einzige westliche Industrieland ist, dass diese noch anwendet.

Geteilt durch den Tod
My Days of Mercy nimmt sich nun dieses kontroversen Themas an, indem zwei Menschen aufeinandertreffen, die von ihren Gefühlen vereint sind, aber an genau diesem Punkt unterschiedlicher Meinung sind. Aus gutem Grund. Die eine ist dabei, ihren Vater durch die Todesstrafe zu verlieren. Die andere will diese Todesstrafe, als Rache für etwas, das ihrer Familie angetan wurde. Wenn sich die beiden jungen Frauen annähern, körperlich wie seelisch, ihre Geschichten miteinander teilen und somit andere Standpunkte, dann ist das eine nicht uninteressante Auseinandersetzung mit dem pro und contra.

Das Ganze mit einer homosexuellen Liebe zu verbinden, ein zweites zumindest potenziell entzweiendes Thema, macht diesen Graben noch deutlicher, der innerhalb der Gesellschaft verläuft. Sonderlich subtil ist es aber nicht. Dass die offen homosexuell lebende Lucy für Gnade eintritt, während die aus einem schablonenhaft konservativen Haus stammende Mercy die klassische Rache befürwortet, das ist – bei aller Annäherung – schon arg vereinfacht. Von der schon ziemlich plump anmutenden Namenwahl, welche die Symbolik auf die Spitze treibt, ganz zu schweigen. Da hätte Drehbuchautor Joe Barton gern dem Publikum mehr zutrauen und vielleicht echte Ambivalenz schaffen können.

Von dem Leben und der Liebe
Für sich genommen ist die Liebesgeschichte zwischen den beiden jungen Frauen aber durchaus sehenswert, auch wegen der zwei Darstellerinnen. Ellen Page (The Umbrella Academy) und Kate Mara (Fantastic Four), die den Film produzierten und auch im wahren Leben befreundet sind, verkörpern hier glaubhaft eine junge Liebe, die Hindernisse überwinden muss – darunter auch die eigene Unsicherheit. Das Drumherum der Todesstrafe hätte es dabei gar nicht gebraucht, wird zwischendrin auch immer wieder fallengelassen. Aber auch die Beziehung unterhalb der Geschwister ist gut gelöst, von der ältesten Schwester, die als Ersatzmutter fungiert, bis zum Nesthäkchen, das irgendwie nie ein normales Leben kennengelernt hat.

Da steckt also schon einiges drin in dem Werk der israelischen Regisseurin Tali Shalom Ezer, was eine Sichtung des Films lohnt. Zum Nachdenken regt My Days of Mercy durchaus an, selbst wer in einem Land lebt, das sowohl bei der Todesstrafe wie auch beim Thema Homosexualität liberaler ist. Die Mischung aus beidem ist dann aber doch etwas zu dick aufgetragen, man kann oft gar nicht mehr sagen, wovon der Film eigentlich handeln will. Das sollte man ebenso ignorieren können wie die Tendenz, dem Publikum die Antworten vorzugeben. Wer das kann, wird mit einem interessanten Porträt eines widersprüchlichen bis zerrissenen Landes belohnt, in dem vieles im Argen liegt. Ein Porträt, das zum Ende hin auch ein wenig Mut macht, dass die Gräben vielleicht überwunden werden können.



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„My Days of Mercy“ erzählt die Geschichte einer Liebesbeziehung zwischen einer Gegnerin der Todesstrafe und einer Befürworterin. Das ist in Einzelteilen interessant, zeichnet das Bild einer zerrissenen Gesellschaft, ist in Kombination jedoch etwas viel – zumal das Drama nicht sonderlich viel von Subtilität hält.
6
von 10