Nur ein kleines Rennen hätte es sein soll, doch die Folgen sind fatal, als das Auto mit den drei jungen Frauen von der Brücke in den Fluss stürzt. So sehr die Rettungsmannschaften auch suchen, vom Auto und den Insassinnen keine Spur. Bis Mary Henry (Candace Hilligoss) aus dem Wasser steigt, verstört und ohne eine echte Erinnerung daran, was geschehen ist. Für sie heißt es im Anschluss dann erstmal weg und alles hinter sich lassen. Als Orgelspielerin will sie in einer neuen Stadt ein neues Leben beginne. Doch schon auf dem Hinweg wird sie von einer eigenartigen Vision heimgesucht – und es wird in den folgenden Tagen nicht die letzte bleiben.
Was lange währt, wird endlich gut. Als Herk Harveys Carnival of Souls 1962 erschien, nahmen nur die wenigsten davon Notiz. In den USA floppte der Horrorfilm seinerzeit, in Deutschland wurde er erst gar nicht veröffentlicht. Bis wir ihn auch hierzulande auf Deutsch sehen durften, vergingen statte 30 Jahre, erst eine Fernsehsynchronisation und die Umbenennung in Tanz der toten Seelen machte den Film für ein größeres Publikum bei uns zugänglich. Doch die Wartezeit hatte sich gelohnt: Auch wenn der Titel auf billigen Trash schließen lässt, verbirgt sich dahinter ein sehr atmosphärischer Genrebeitrag, der später Kultstatus erlang. Völlig zurecht.
Das Beste aus wenig
Dabei standen die Vorzeichen eigentlich alles andere als gut. Herk Harvey hatte noch nie zuvor einen Spielfilm gedreht, das Ensemble bestand größtenteils aus Laiendarstellern. Geld für die Produktion hatte auch niemand wirklich. Gerade einmal 33.000 US-Dollar soll der Film gekostet haben. Für nennenswerte Spezialeffekte reicht das nicht, sind hier dann auch nicht zu finden. Wenn da mal das Bild mithilfe von Wellenbewegungen verzerrt wird, ist das schon das höchste der Gefühle. Ansonsten behalf man sich einfachen Make-ups, um den diversen Erscheinungen von Mary ihr unheimliches Aussehen zu verleihen.
Doch auch wenn in der Hinsicht nur wenig Nennenswertes geschieht, schwach ist die Optik nicht. Ganz im Gegenteil: Die Schwarzweiß-Bilder von Kameramann Maurice Prather sind auch mehr als 50 Jahre später von einer fremdartigen Schönheit. Die eigenwilligen Perspektiven, die der eigentlich auf Fotografien spezialisierte US-Amerikaner hier verwendet, sie tragen maßgeblich dazu bei, dass wir uns hier nie wirklich zu Hause fühlen. Und auch der verlassene Jahrmarkt, der dem Film seinen englischen Titel gab, ist eine großartige Kulisse, die keine Effekte braucht, keine Monster. Tanz der toten Seelen zeigt heutigen Genrevertretern, dass es oft gar nicht so viel bräuchte, um eine unheilvolle Stimmung zu erzeugen.
Klänge aus einer anderen Welt
Wobei die Bilder ohne die ebenso ungewöhnliche Soundkulisse vermutlich nicht halb so gut funktionieren würden. In einer der spannendsten Szenen werden sämtliche Alltagsgeräusche aus dem Film verbannt, nur das Schuhgeklapper der Protagonistin und der finster-unheimliche Orgelscore von Gene Moore sind noch übrig. Das ist Minimalismus in Perfektion, schließlich lebt Tanz der toten Seelen davon, dass sich Mary nach dem Unfall nicht mehr wirklich in der Welt zurechtfindet. Dass alles so fern und fremd scheint. Bis zum Schluss lässt der Film es dann auch offen, ob die Erscheinungen nur der Fantasie entspringen oder ob da wirklich seltsame Männer draußen umherwandern und die Musikerin verfolgen. Diese verschwimmenden Grenzen zwischen Realität und Vorstellungskraft gehören natürlich zum Standardrepertoire des Horrorgenres. Selten aber wurde dies derart kunstvoll und clever gelöst wie hier.
Die Geschichte selbst ist dafür umso einfacher. Es gibt nur wenige Figuren, die Dialoge sind simpel und frei von jeglicher Subtilität. In einer der frühesten Szenen tauschen sich beispielsweise zwei Männer darüber aus, wie eigenartig Mary doch ist, damit das Publikum auch ja versteht, dass sie nicht ganz normal ist. Richtig viel Abwechslung hat Tanz der toten Seelen auch nicht zu bieten, ein Großteil des Films besteht lediglich daraus, dass die ansonsten recht pragmatisch veranlagte Künstlerin in Todesangst durch die Gegend rennt. Das mag sich nicht nach etwas Besonderem anhören und ist doch spannender als vieles, das heute mit aller Gewalt Schrecken erzeugen will – obwohl manches etwas over the top ist. Selten war subjektiver Horror so wirkungsvoll wie hier, selten war eine späte Anerkennung so verdient.
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