A Gschicht über d'Lieb
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A Gschicht über d’Lieb

A Gschicht ueber dLieb
„A Gschicht über d’Lieb“ // Deutschland-Start: 29. August 2019 (Kino)

Gregor (Merlin Rose) wird später einmal den Hof seines Vaters (Thomas Sarbacher) übernehmen, das steht für alle jetzt schon fest. Für alle außer Gregor selbst. Denn der würde lieber eine Werkstatt übernehmen und dazu eine Tankstelle aufmachen. Doch dafür braucht er Geld, viel Geld. Und woher nehmen? Sein Vater hält natürlich nicht viel von dem Projekt, ohnehin ist das Verhältnis zwischen den beiden überaus schwierig. Dann willigt er aber doch ein, seinem Sohn zu helfen, stellt dafür jedoch eine Bedingung: Gregors Schwester Maria (Svenja Jung) soll endlich heiraten und auf diese Weise den Hof fortführen. Bei den Geschwistern stößt er damit aber nicht auf Begeisterung, denn niemand soll die beiden voneinander trennen …

Eigentlich ist der Heimatfilm in Deutschland ja ausgestorben, so dachte man, vor vielen vielen Jahren. Und doch gibt es immer wieder Filmemacher und Filmemacherinnen, die diesem totgesagten Bereich des hiesigen Kinos die Treue geschworen haben, ihn auf eine oft sehr eigene Weise fortführen. Marcus H. Rosenmüller erlangte mit seinen bayerischen Provinzausflügen wie Wer früher stirbt, ist länger tot oder Beste Zeit durchaus auch nationale Bekanntheit. Letztes Jahr erhielt Lisa Miller beim Max Ophüls Preis den Publikumspreis für ihr schwäbisches Dorfporträt Landrauschen.

Zwischen gestern und morgen
Auch Peter Evers zieht es in seinem Spielfilmdebüt aufs Ländle. Anstatt wie seine Kollegin jedoch die dörfische Gegenwart zu thematisieren, reist der Regisseur und Drehbuchautor gleich noch ein paar Jahrzehnte in die Vergangenheit. Wenn er in A Gschicht über d’Lieb die frühen 50er auferstehen lässt, dann zeigt er ein Deutschland, das gerade im Wandel ist. Der Krieg ist seit ein paar Jahren vorbei, wirft aber noch immer Schatten. Eine neue Bundesstraße soll in der Nähe gebaut werden, was nicht nur symbolisch für den Anschluss an die Moderne steht. Doch dazwischen haben immer noch die Alten das Sagen, machen das, was immer gemacht wurde, und verlangen das auch von dem Nachwuchs.

Mit den Heimatfilmen von einst hat A Gschicht über d’Lieb dadurch natürlich eher weniger zu tun. Hier wird keine ideale Welt gezeigt, keine ländliche Idylle. Stattdessen gibt es hier auf Schritt und Tritt Dreck, Schmutz und (moralische) Abgründe. Interessant ist in dem Zusammenhang, dass Evers den beiden Geschwistern auch noch eine inzestuöse Beziehung auf den Leib geschrieben hat. Ihr Kampf gegen die alten Normen und für freie Entwicklung geht hier also mit einer Liebe einher, die bis heute mit einem Tabu belegt ist, in vielen Ländern auch nach wie vor strafbar, darunter eben auch Deutschland: Sex zwischen Geschwistern. Dass das Verhältnis zwischen beiden besonders eng ist, wird zwar schon früh gezeigt, eine gewisse erotische Spannung wird schon im Alltag deutlich. Doch erst später wird diese Vereinigung auch explizit und bringt damit jede Menge neue Probleme mit sich.

Ein Dorf, viele Probleme
Ob sich A Gschicht über d’Lieb aber tatsächlich dafür einsetzt, dass Geschwister diesen Neigungen nachgehen dürfen sollten, das wird nicht ganz ersichtlich. Auf der einen Seite spricht die Konstellation dafür: Während Gregor und Maria als die Guten im Dorf dargestellt werden, verschwimmt der Rest gern in einer wenig ansprechenden Anhäufung von Gewalt, Unterdrückung, Borniertheit, von der Bigotterie ganz zu schweigen. Andererseits nimmt sich der Film nicht wirklich die Zeit, das Thema auch in irgendeiner Form zu diskutieren. Denn dafür häuft Evers einfach viel zu viele Probleme an, die sich überlagern, bis man irgendwann keine Luft zum Atmen mehr hat und gar nicht weiß: Was genau will der Film eigentlich?

Das Geschwisterpaar ist dabei mit Svenja Jung (Die Mitte der Welt) und Merlin Rose (Aus der Haut) sympathisch besetzt, selbst wenn die Handlungen ihrer Figuren nicht immer sympathisch sind. Sie zeigen des Öfteren sogar, dass sie zu nicht minder egoistischem Treiben in der Lage sind – was nur deshalb nicht so auffällt, weil die meisten anderen noch viel schlimmer sind. Auch Selbstreflektion ist nicht wirklich ihre Stärke. Interessanterweise ist es ausgerechnet der Vater, der eine Wandlung durchmacht, auch wenn die nicht wirklich glaubwürdig vorgeführt ist. Das ist dann auch die größte Schwierigkeit, die einem der Film bereitet: Es gelingt ihm zwar, ein stimmiges Zeitporträt zu erschaffen, mit ansprechend düsteren Bildern. Der Inhalt ist teilweise aber so überzogen, dass einem nichts, was hier geschieht, tatsächlich nahegeht. Und das ist bei einem derartigen Melodram kein sehr glückliches Ergebnis.



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„A Geschicht über d’Lieb“ stellt uns zwei Geschwister vor, die in einem Dorf Anfang der 1950er den Aufstand gegen die Erwartungen und Normen der anderen wagen. Der Film ist dabei stimmiges Zeitporträt und zeigt eine Gesellschaft im Wandel. Allerdings häuft das Drama schon sehr viele Probleme an und suhlt sich dermaßen im Dreck, dass nicht einmal das Tabuthema Inzest noch große Anteilnahme nach sich zieht.
5
von 10