Es ist ein Punkt, an dem sich die Geister scheiden. Für die einen ist die Stadt, in der man wohnt, nur ein Ort, aus meist pragmatischen Gründen. Oft hat es einen aus beruflichen Gründen hierher verschlagen. Vielleicht lebt man aus familiären Verpflichtungen dort. So oder so: Es hätte auch ganz anders kommen können, wäre genauso gut. Andere sehen in der Stadt aber mehr. Dort zu sein, das ist nicht bloß Mittel zum Zweck, sondern das Ziel, ein eigenes Lebensgefühl. Diese Unterscheidung findet man auch in Filmen. Meistens ist der Schauplatz nur die Kulisse, um eine Geschichte zu erzählen. Manchmal ist er aber auch mehr, da wird die Stadt zu einem eigenen Protagonisten.
Das beste Beispiel hierfür ist die Reihe Cities of Love, die von dem Produzenten Emmanuel Benbihy ins Leben gerufen wurde. Im Rahmen dieser Reihe wurden mehrere Episodenfilme gedreht, die jeweils einer bestimmten Stadt gewidmet sind. Mit Paris, je t’aime ging es 2006 los, zwei Jahre später folgte New York, I Love You. Nun ist also auch Berlin an der Reihe. Höchste Zeit, möchte man meinen, schließlich spielt unsere Hauptstadt im deutschen Filmbetrieb eine große Rolle. Und nur wenige Städte stehen so wie Berlin dafür, dass die unterschiedlichsten Strömungen und Einflüsse zusammenkommen, um etwas eigenes zu schaffen.
Ein Nicht-Ort unter vielen
Doch das kann auch zu einem Problem werden, wie bereits der Titel veranschaulicht. Anders als bei der Frankreich-Variante ist der deutsche Titel auf Englisch, so wie hier viele US-Filmemacher mitmischen. Ein Großteil des Films ist zudem auf Englisch gedreht. Das macht die Sache internationaler, aber eben auch beliebiger. Und das ist nicht der einzige Punkt: Viele der Geschichten von Berlin, I Love You haben so gar nichts mit der Stadt zu tun, zeigen nichts von ihr, handeln nicht von ihr. Man hätte sie in einen der anderen Episodenfilme verfrachten können, ohne dass es jemand gemerkt hätte.
Dabei gibt es durchaus deutsche Beteiligungen vor und hinter der Kamera. Til Schweiger inszenierte beispielsweise die bizarre Begegnung von Mickey Rourke und Toni Garrn in einer Hotelbar. In der Rahmenhandlung wiederum, welche die einzelnen Episoden notdürftig miteinander verkuppelt, läuft Robert Stadlober mit einem Rucksack durch die Gegend, an den Engelsflügel angebracht wurden – ein nicht sonderlich subtiler Verweis auf Der Himmel über Berlin. Und auch Hannelore Elsner und Veronica Ferres sind irgendwann mal zu sehen. Doch das alleine macht noch keinen Berlinfilm. Und es macht noch keinen guten Film.
Ein Ausflug in die filmische Gosse
Und das ist das viel größere Problem von Berlin, I Love You: Der Film ist schlecht. Richtig schlecht. Die Dialoge sind zum Fürchten, ergeben teilweise überhaupt keinen Sinn, flüchten sich manchmal auch in etwas, das wohl jemand für poetisch oder philosophisch hielt. Die Geschichten schwanken zwischen völlig banal und komplett bescheuert, etwa wenn ein suizidaler Jim Sturgess zum Auftakt von der künstlichen Intelligenz seines Autos gerettet wird, die ihn im Anschluss auf das Leben mit anderen Menschen vorbereitet. Nicht einmal schauspielerische Schwergewichte wie Helen Mirren können an dieser Misere etwas ändern, wenn sie ähnlich verloren in dem Film wirken wie die Touristen, die verzweifelt in Berlin nach dem Weg suchen.
Vereinzelte Lichtblicke gibt es zwar schon. Aber man muss schon sehr nach ihnen suchen. Und vielleicht es auch nur der Kontrast zu dem cineastischen Trümmerfeld, welches den nächtlichen Ausflug rund um Max Raabe etwas magisch wirken lässt. Ansonsten heißt es hier lieber schnell Reißaus nehmen, Rucksack packen und die Stadt verlassen. Freude an Berlin, I Love You werden allenfalls Berlin-Hasser haben, die hier ihre schlimmsten Befürchtungen bestätigt sehen, alternativ Trashfans, die ihren Spaß daran haben, wenn Filme so richtig schief gehen. Sowas darf es natürlich auch geben. Diese zähe bis lächerliche Tortur wird aber weder dem Thema, noch der Stadt oder einigen der hier auftretenden Schauspieler und Schauspielerinnen gerecht.
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