Seit ewigen Zeiten schon herrschen die Skekse über den Planeten Thra. Einst von Aughra damit beauftragt, in ihrem Sinn über den dunklen Kristall und damit die Welt zu wachen, haben sie sich im Laufe der vielen Jahre zu Despoten entwickelt, die auf Kosten der anderen Lebewesen schmausen – allen voran dem Volk der Gelflinge. Doch selbst mächtige Wesen wie sie kommen in die Jahre, die Energie des Kristalls, die sie bislang unsterblich machte, scheint nachzulassen. Eine neue Energiequelle muss her und zwar schnell! Dabei stoßen sie auf die Möglichkeit, die Essenz der Gelflinge direkt für sich zu nutzen. Nur haben sie nicht damit gerechnet, dass sie dabei von jemandem beobachtet werden: Rian, ein Gelfling des Steinwald-Clans. Während die Skekse ihre Schergen aussenden, um den unliebsamen Zeugen unschädlich zu machen, versucht dieser eine Rebellion anzuzetteln. Einfach ist das nicht. Nicht nur, dass die Gelflinge ihren Herrschern treu ergeben sind und eine solche Geschichte nicht glauben wollen. Die einzelnen Clans sind zudem seit langer Zeit verfeindet …
Der August 2019 war bei Netflix so etwas wie der Nostalgiemonat schlechthin, vor allem für Animationsfans. Erst kramte der Streamingdienst zwei Kult-Zeichentrickserien aus und setzte sie in Form von Specials fort: Rockos modernes Leben: Alles bleibt anders und Invader Zim: Enter the Florpus. Und nun kommt mit Der dunkle Kristall: Ära des Widerstands eine Fortsetzung, von der man nie gedacht hätte, dass sie in der heutigen Zeit eine Chance hat. Zu sehr wirkt sie selbst wie das Relikt einer vergangenen Ära, auch dank einer sehr eigenen Animationstechnik, wie sie heutzutage eigentlich nicht mehr verwendet wird. Animatronic heißt diese Technik, bei der reale Figuren entweder per Hand oder elektronisch bewegt werden. Das kennt man heute noch aus Vergnügungsparks, manchmal auch aus Einkaufszentren – sich bewegende Osterhasen zum Beispiel. In Filmen wird das jedoch kaum mehr gemacht, heute vertraut man dann doch eher auf Figuren, die gleich am Rechner entstanden sind.
Eine würdige Fortsetzung und Vorgeschichte
Bei der Netflix-Serie verzichtete man jedoch darauf, aus gutem Grund. Der zugrundeliegende Film Der dunkle Kristall gilt als einer der großen Puppenklassiker der Filmgeschichte. Kommerziell erfolgreich war er zwar weniger, entwickelte sich später jedoch zu absolutem Kult. Und das lag eben auch an der optischen Gestaltung, wenn seltsame bis bizarre Puppen ein großes Abenteuer erleben, das sich nicht vor „echten“ Fantasy-Filmen verstecken muss. Auch wenn der Streifen inzwischen 37 Jahre auf dem Buckel hat, so ist er ein nach wie vor beeindruckendes Beispiel für diese spezielle Kunstform und Ausdruck der Kreativität von Jim Henson, der seinerzeit die Geschichte ausgedacht und Regie geführt hatte.
Nun ist Henson, der vor allem für die Muppets und die Sesamstraße bekannt wurde, seit bald 30 Jahren tot. Im Gegensatz zu diversen anderen Versuchen, sein großes Vermächtnis fortzuführen, ist das Prequel Der dunkle Kristall: Ära des Widerstands aber eine würdige Fortführung. Mehr noch, sie ist dem Original sogar überlegen. Regisseur Louis Leterrier (Die Unfassbaren – Now You See Me) und die Autoren Jeffrey Addiss und Will Matthews, welche die treibende Kraft hinter dem Projekt waren, schließen nahtlos an den Klassiker an, übernehmen dessen Stärken, merzen dabei aber auch diverse Schwächen aus. Eine davon ist zeitbedingt: In zehn Folgen, die jeweils um die 50 Minuten lang sind, lässt sich natürlich deutlich mehr erzählen als in nur einem Film. Alles, was in Der dunkle Kristall nur angedeutet werden konnte, wird hier sehr viel ausführlicher gezeigt.
Das kommt zum einen der Welt an sich zugute. Es gibt mehr Schauplätze, mehr Kreaturen, mehr Hintergründe. Die verschiedenen Völker der Gelflinge gewinnen beispielsweise deutlich an Kontur, während sie in Der dunkle Kristall nur eine ferne Erinnerung waren. Aber auch bei den Figuren wirkt die hinzugewonnene Zeit wahre Wunder. Ära des Widerstands nutzt das Serienformat, um die einzelnen Charaktere stärker auszuarbeiten, ebenso die Beziehungen untereinander. Prinzessin Brea beispielsweise stellt die alten Traditionen und Überzeugungen in Frage, während ihre Schwester deutlich konservativer ist. Rians Abenteuer wiederum beginnt, weil er seinem berühmten Vater gegenüber seinen Wert beweisen möchte. An interessanten Figuren mangelt es in der Serie ohnehin nicht: die abstoßenden Skekse, die kuriose Aughra, die friedfertigen uRus, allesamt aus dem Film bekannt. Hinzu gesellen sich neue Rassen und Kreaturen, die das Abenteuer zu einer echten Entdeckungsreise machen.
Eine Wunderwelt voll kurioser Details
Untrennbar damit verbunden ist die erneut umwerfende Optik. Natürlich sind die Möglichkeiten heutzutage ganz andere als noch Anfang der 1980er, weshalb ein Vergleich der beiden Visionen zwangsweise hinkt. Leterrier und seinem Team gelingt es aber, heutige Technik so einzusetzen, dass sie den klassischen Puppenzauber verstärkt, anstatt diesen zu ersetzen. So gewannen die Figuren deutlich mehr Bewegungsfreiraum, sei es durch die fortgeschrittene Elektronik oder den Einsatz von Green Screens. Das und die Computereffekte fallen durchaus etwas auf, werden aber selten zu einem Problem. Dafür überwiegen die handgemachten Elemente zu sehr, sind auch zu ausdrucksstark. Wessen Herz noch für eine traditionelle Ausstattung schlägt, in der reale Gegenstände herumliegen, anstatt CGI-Projektionen zu sein, für den ist das hier ein absolutes Fest. Das Ausmaß an Detailfreudigkeit verbunden mit einem Sinn fürs Fantastische ist atemberaubend, im Gegensatz zu vielen Netflix-Produktionen merkt man hier deutlich, dass das wirklich aus persönlicher Leidenschaft geboren wurde.
Die Geschichte selbst ist nicht ganz so originell und eigenwillig. Der dunkle Kristall: Ära des Widerstands lebt von der Welt, den sonderbaren Figuren und der wunderbaren Umsetzung. Das eigentliche Abenteuer verkommt da manchmal zur Nebensache. Was im Film damals noch ein großer Twist war, wird hier zudem gleich zu Beginn verraten, was den Effekt doch deutlich schmälert. Und doch ist die Serie auch inhaltlich sympathisch mit dem Plädoyer für Gemeinschaft und den unverkennbar ökologischen Botschaften, wenn von blindem, egoistischen Raubbau die Rede ist. Für Fans des Films ist die Vorgeschichte ein absolutes Muss, selbst wenn deren Ende durch Der dunkle Kristall ja vorweggenommen wird. Aber auch Neueinsteiger ist das hier dringend zu empfehlen, zumal keinerlei Vorkenntnisse nötig sind. Zu jung sollte das Publikum aber nicht sein: Wie schon das Original ist auch die Serienfassung teils ausgesprochen düster, allein die grotesken Skekse sind für so manchen Albtraum gut.
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