Der Honiggarten Tell It to the Bees
© capelight pictures/Neil Davidson

Der Honiggarten – Das Geheimnis der Bienen

Der Honiggarten Tell It to the Bees
„Der Honiggarten – Das Geheimnis der Bienen“ // Deutschland-Start: 5. September 2019 (Kino)

Das Leben meint es gerade nicht besonders gut mit Lydia (Holliday Grainger). Als wäre es nicht schon schwer genug, allein für ihren Sohn Charlie (Gregor Selkirk) sorgen zu müssen, nachdem ihr Mann Robert (Emun Elliott) sie sitzen gelassen hat, gerät Charlie an der Schule auch noch in eine Rauferei. Er muss zum Arzt, das steht fest, und landet so bei Dr. Jean Markham (Anna Paquin), die gerade erst in das schottische Dorf zurückgekehrt ist, um die Praxis ihres Vaters zu übernehmen. Der Junge ist sofort fasziniert von der Ärztin, noch mehr von den Bienenstöcken in ihrem Garten. Aber auch Lydia findet schnell Gefallen an der Frau, was in ihrem Umfeld überhaupt nicht gut ankommt …

Lange ist es her, dass Annabel Jankel einen Kinofilm inszeniert hat. Vielleicht hatte sie keine Lust und beschäftigte deshalb lieber mit dem Fernsehen. Vielleicht waren es aber auch die Nachwirkungen von Super Mario Bros., jener bizarren Videospieladaption, die seinerzeit böse floppte und als einer der schlechtesten Filme aller Zeiten gilt. Denn wer für ein solches Machwerk verantwortlich ist, dem vertraut man verständlicherweise nicht unbedingt ein neues Projekt an. Während ihr damaliger Co-Regisseur Rocky Morton komplett in der Versenkung verschwunden ist, dauerte es bei Jankel satte 25 Jahre, bis es mit Der Honiggarten – Das Geheimnis der Bienen wieder etwas von ihr auf der Leinwand zu sehen gibt.

Aufstand gegen die Kleinbürgerlichkeit
Auf den ersten Blick würde aber wohl kaum einer vermuten, dass hinter beiden Filmen dieselbe Person stecken könnte. Die futuristische Szenerie wich einem Ausflug ins Schottland der 1950er. Der Kampf gegen einen bösen Diktator einem gegen Traditionen und feste Normen, gegen überholte Frauenbilder und Homophobie. Die Geschichte selbst spielt dabei vor fast 70 Jahren. Damit ist sie aber noch nicht automatisch von gestern. Denn auch wenn sich die Situation für homosexuelle Frauen seither natürlich verbessert hat, von einer Gleichberechtigung wird wohl kaum einer sprechen wollen. Selbst Anfeindungen bis hin zu Gewalt sind 2019 keine Seltenheit.

Dabei gibt es, zumindest innerhalb von Der Honiggarten, so gar keinen Anlass für Feindseligkeit. Im Gegenteil: Der Film lässt zu keinem Zeitpunkt einen Zweifel daran, wer hier die guten Menschen sind und wer die bösen. Die guten, das sind Lydia und Charlie und Robert. Die bösen, das sind der ehebrechende, zur Brutalität neigende Robert und dessen Schwester Pam (Kate Dickie), die Verkörperung des bösen Biests. Letztere sind so abscheulich, dass man keine freie Minute mit ihnen verbringen wollte. Und damit auch der Letzte versteht, wie unangenehm sie sind, treten sie nur in dunklen, engen Wohnungen auf, während die beiden Liebenden sich mit Vorliebe in der freien Natur aufhalten.

Wunderschön, beschaulich, surreal
Beides ist dann auch sehr schön. Der polnische Kameramann Bartosz Nalazek hat bezaubernde Aufnahmen aus der schottischen Provinz eingefangen, kombiniert diese mit historischer Anmutung und ein bisschen schäbiger Armut im Dorf. Doch der wahre Blickfang ist natürlich das Paar: Wie Anna Paquin (Das Piano) und Holliday Grainger (Tulpenfieber) sich aneinander annähern, ganz behutsam und vorsichtig, sich beäugen und doch nicht so ganz über den Weg trauen, das ist schon gehobene Schauspielkunst. Sie entwickeln dabei eine beachtliche Chemie, obwohl oder eben auch weil sich die Geschichte nur sehr langsam entwickelt, Jankel den beiden viel Raum bietet.

Dass die Adaption eines Romans von Fiona Shaw dabei nicht wirklich viel Neues zu erzählen hat und manchmal ein bisschen sehr einfach gestrickt ist, das ist natürlich schade, dürfte das Zielpublikum aber eher weniger stören. Irritierend ist hingegen wie Der Honiggarten, der auf dem Toronto International Film Festival 2018 Premiere hatte, auf den letzten Metern plötzlich entgleist. Die ruhige Stimmung zwischen Neugierde, Sorge und Sehnsucht weicht einer geradezu surrealen Dramatisierung, die aus einem überflüssigen Klischee und einem verwundernden Schlag gegen den Kopf besteht. Schon vorher dürfte man sich gefragt haben, was genau eigentlich die ganzen Bienenszenen im Film zu suchen haben. Die Antwort darauf fällt aber nicht weniger verwirrend aus, da sie so wirkt, als wäre sie einem ganz anderen Film entnommen. Wer sich mal wieder überraschen lassen will, wird sich vielleicht darüber freuen. Ansonsten wäre es aber besser gewesen, diese Kreativität lieber in andere Bereiche des Drehbuchs zu investieren, die das nötiger gehabt hätten.



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„Der Honiggarten – Das Geheimnis der Bienen“ erzählt die Geschichte von zwei Frauen, die sich im Schottland der frühen 1950er ineinander verlieben und damit den Rest des Dorfes gegen sich aufbringen. Das ist gut gemeint und gut gespielt, dazu noch bezaubernd bebildert. Inhaltlich gibt es jedoch Mängel, sowohl in der Figurenzeichnung wie auch bei der bizarren Dramatisierung zum Ende hin.
5
von 10