Der nackte Regisseur The Naked Director Netflix
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Der nackte Regisseur – Staffel 1

Der nackte Regisseur The Naked Director Netflix
„Der nackte Regisseur – Staffel 1“ // Deutschland-Start: 8. August 2019 (Netflix)

Toru Muranishi (Takayuki Yamada) ist nicht unbedingt das, was man einen Gewinnertypen nennen würde. Seine Ehe funktioniert nicht, auch beruflich hat er keine echte Perspektive, obwohl er sich als Verkäufer von englischsprachigen Enzyklopädien gar nicht so schlecht anstellt. Doch als er zusammen mit Toshi (Shinnosuke Mitsushima) beginnt, Erotikmagazine zu produzieren, wendet sich sein Schicksal, ganz Hokkaido überschwemmt er bald mit den unanständigen Heften. Und das ist nur der erste Schritt, das richtig große Geld wartet auf ihn in der noch unerfahrenen Pornoindustrie. Aber wo viel Licht, da auch Schatten: Immer wieder gerät er mit Konkurrenten aneinander, auch die Yakuza und die Polizei setzen ihm schwer zu.

Seit einer Weile schon hat sich Netflix als eifriger Importeur asiatischer Filme und Serien etabliert, es vergeht kaum eine Woche, in der nicht irgendetwas dank des Streamingdienstes den Weg zu uns findet. Im Fall von Japan besteht ein Großteil des Outputs aus Animes, dann und wann wird aber auch eine Live-Action-Produktion ins Sortiment aufgenommen. Mit Der nackte Regisseur ist es mal wieder so weit. Im Gegensatz zu den meisten fernöstlichen Serien wurde diese hier sogar synchronisiert, was auf etwas größere kommerzielle Ambitionen seitens der US-Amerikaner schließen lässt.

Das Relikt einer fremden Zeit
Gut möglich, dass dies hier sogar klappt. Das Thema von Der nackte Regisseur ist natürlich schon sehr speziell. Die Pornoindustrie Japans in den 1980ern? Ist das heutzutage überhaupt relevant? Wenn sich hier zu Beginn kleine Jungs daran versuchen, in Magazinen die zensierten Stellen freizurubbeln oder später bei den Pornos darüber gestritten wird, was nun genau gezeigt werden darf, dann ist das für ein heutiges Publikum natürlich fremd. Inzwischen ist Sex dank des Internets für jeden frei verfügbar, in allen möglichen Positionen, Farben und Geschmacksrichtungen. Da sind die Schwierigkeiten, die der Bereich vor 30 Jahren hatte, kaum noch nachzuvollziehen.

Der nackte Regisseur will aber auch nicht die Zuschauer und Zuschauerinnen erregen, obwohl die Serie durchaus Haut zeigt. Es ist nicht einmal so, dass die reale Geschichte der japanischen Pornoindustrie detailliert aufgezeigt wird. Das meiste basiert zwar durchaus auf der Realität. So war Toru Muranishi beispielsweise wirklich einer der einflussreichsten Unternehmer in dem Segment und trug dazu bei, dass „erwachsene“ Filme im Land der aufgehenden Sonne eine derartige Entwicklung durchmachten. Aber wie so oft bei diesen biografisch basierten Produktionen nahm man das mit der Wahrheit nicht immer so genau. Wichtiger war es den Machern, das Publikum zu unterhalten.

Aus Spaß am Thema
Und eben das funktioniert hier richtig gut. Von Anfang an setzt Der nackte Regisseur auf einen sehr humorvollen Ton. Die ersten Erfolge von Muranishi beim Verkauf der Enzyklopädien gehen auf herrlich absurde Taktiken zurück, auch der dankbare Käufer ist schön übertrieben. Allgemein ist die Serie gern ein wenig over the top. Immer passiert irgendwas Verrücktes oder eine neue kuriose Figur taucht auf. Ganz zu schweigen von Muranishis diversen Einfällen, wie er der Zensur entgehen oder auch seinen Produktionen ein bisschen mehr Würze verleihen kann. Mit Erotik hat das nur wenig zu tun. Es ähnelt mehr einer Parodie auf all die Pornos, die sich in völlig bescheuerte Fantasien stürzen.

Ob ein solcher Zugang dem Thema gerecht wird, darüber kann man sich natürlich streiten. Die Auswirkungen von Pornografie auf das Menschenbild der Zuschauer wird nicht thematisiert. Auch eine mögliche Ausbeutung von Frauen kommt nicht zur Sprache. In Der nackte Regisseur sind die Darstellerinnen alle bemerkenswert selbständig und selbstbewusst, haben manchmal selbst dann die Hosen an, wenn sie nackt sind. Auf eine gewisse Weise ist die Serie damit durchaus ein Plädoyer für weibliche Selbstbestimmung und das Recht auf eigene Lust. Spannend ist die Serie zudem auch als Spiegel einer sich verändernden Gesellschaft: Pornos waren in den 80ern zwar ein Tabuthema, das lieber versteckt an den Mann gebracht wurde. Aber es zeigt eben auch ein Land, das sich langsam von alten Regeln und Bildern löst und versucht sich selbst zu entdecken. Und das bedeutet eben auch, dass Sex hier mehr sein darf als pflichtbewusste Fortpflanzung. Diese Ambivalenz hätte gern noch ein wenig konsequenter verfolgt und hinterfragt werden dürfen. Wer das Thema aber gar nicht so ernst nehmen mag, der kann hier eine Menge Spaß haben.



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Eine Serie über die Anfänge der japanischen Pornoindustrie in den 80ern? Das klingt nicht sehr relevant. Dabei hat „Der nackte Regisseur“ durchaus was zu erzählen: eine sich verändernde Gesellschaft, das Bild der Frauen, die Bedeutung der Selbstentfaltung. Über die Schattenseiten schweigt man sich hier aus, die Ambivalenz des Thema wird kaum verfolgt. Spaß macht die Geschichte eines aufstrebenden Pornoregisseurs aber durchaus, auch weil alles ein wenig over the top umgesetzt wurde.
7
von 10