In einer Kunstform wie dem Film Fuß zu fassen, ist schwierig genug, aber innerhalb der Industrie, die das Medium umgibt, ist dies noch eine viel größere Herausforderung. Drehbuchautor und Regisseur Garry Dawes (Humphrey Bogart) weiß dies nur zu genau, ist er doch, seitdem seine letzten Arbeiten eher bescheidenen Erfolg hatten, finanziell abhängig von Produzent Kirk Edwards (Warren Stevens), der ihn zusammen mit seinem PR-Agenten Oscar Muldoon (Edmond O’Brien) nach Spanien nimmt. Dies ist allerdings keinesfalls ein Erholungstrip. Stattdessen sollen die beiden dem erfolgsverwöhnten Edwards dabei helfen, die hübsche Tänzerin Maria Vargas (Ava Gardner) für sich und seine Filme zu gewinnen. Auch wenn diese nicht besonders von den fehlenden Manieren und der offensichtlichen Gier des Produzenten angetan ist, so kann sie Dawes letztlich zumindest zu einer Probeaufnahme überreden und diese Chance zu nutzen. Wie schon bei ihren Auftritten als barfüßige Flamencotänzerin weiß Maria vor allem die Männerwelt zu beeindrucken und ist schon bald ein großer Star in der Traumfabrik. Jedoch fühlt sich Maria alles andere als wohl in Hollywood, ist zunehmend unzufrieden und depressiv.
Der Film eines alten Mannes
Nach großen Erfolgen wie Alles über Eva (1950) befand sich US-Regisseur Joseph L. Mankiewicz auf dem Höhepunkt seiner Karriere, war einer der gefragtesten Autoren und Filmemacher der Traumfabrik Hollywoods. Daneben war Mankiewicz auch ein Mann mit einem hohen Anspruch an sich selbst und sein Werk, ein Anspruch dem einige seiner Filme im Nachhinein nicht genügten, wozu nicht zuletzt Die barfüßige Gräfin zählte. Auch wenn sich die Kritiken mit Lob für den Film überschlugen, zeigte sich dessen Macher alles andere als begeistert und bezeichnete den Film als den Film eines „alten Mannes“, eine „Tragödie“ und als ein Werk, welches aus Wut und Bitternis entstand, wie er in einem Interview 1958 verriet.
Wie Autor Glen Kenny in seinem Essay A Country For Old Men (2018) über den Film schreibt, mag diese harsche Kritik am eigenen Werk an der Desillusioniertheit Mankiewicz’ liegen, an den Auflagen, die seine Filme im Hinblick auf die strenge US Zensurbehörde erfüllen mussten, oder an der eigenen Biografie. Mankiewicz’ zweite Frau Rose Strander hatte 1958 Selbstmord begangen, vermutlich begleitet von ähnlichen Gefühlen der emotionalen Leere und des Frusts, wie sie Ava Gardners Charakter im Film empfindet.
Die Gefühle, die Mankiewicz mit dem Film verbindet, kann man als Zuschauer durchaus nachempfinden. Zwar setze sich bereits Alles über Eva mit der frustrierenden Scheinwelt Hollywoods auseinander, aber im Ton ist Die barfüßige Gräfin durchaus um einiges bitterer und teilweise zynischer als die vorherigen Werke des Autors und Regisseurs. Die erste Szene, die bereits die Beerdigung Maria Vargas, nunmehr eine Gräfin, zeigt, ist erfüllt von jenem Pessimismus, der die nächsten über zwei Stunden den Film erfüllen wird. Während sich die Männer ihres Lebens – Dawes, Edwards, Muldoon sowie noch einige weitere Liebhaber – ihren Erinnerungen an Maria von der ersten Begegnung an bis zum letzten Treffen hingeben, so kommt man nicht umhin, bereits die Hilflosigkeit und Passivität dieser Personen zu attestieren, welche die Katastrophe kommen sahen, aber diese nicht verhindern konnten. So stehen sie nun am Grab, schauen auf die lebensgroße Statue Marias – natürlich ein Auftrag eines Liebhabers – und können nicht anders, als sich erinnern und die Hände tief in den Hosentaschen vergraben.
Der Tanz der Maria
Ava Gardner spielt Maria Vargas, eine Frau, die nur durch die Sicht der Männer ihres Lebens definiert wird und damit – wie für diese selbst – unverständlich, mysteriös und nicht fassbar bleibt. Bezeichnend für Mankiewicz’ Inszenierung wie auch die sensible Kameraarbeit Jack Cardiffs ist das Bestehen auf dem attraktiven Rätsel, dieser Anziehung – sexuell oder emotional –, die von Maria ausgeht. Wenn sie zum ersten Mal tanzt und man nur die Reaktionen der zumeist männlichen Besucher des kleinen Cafés in Madrid sieht, beantwortet sich die Frage von alleine, ob Maria das Talent zum Star hat. Im Tanz spielt sie mit der Vorstellung des Publikums, mit einer Illusion von sich selbst, die nach wenigen Minuten vergeht, aber einen nachhaltigen Geschmack, oder vielmehr ein Bild der Sehnsucht, in den Köpfen der Männer hinterlässt.
Einzig der von Humphrey Bogart gespielte Harry Dawes scheint eine Ahnung von den wahren Gefühlen hinter der Fassade zu haben, ist aber zu sehr in der Rolle des Beobachters, der Regisseurs gefangen. So bleibt Maria eine nebulöse Vision, eine Vorstellung in den Augen vieler, ein Schein, den die Filmwelt und die Boulevardpresse noch beflügeln. Das pointierte Skript Mankiewicz’ betont, wie diese Welt der Illusionen nur noch an jenen interessiert ist, aber keinesfalls an Echtheit, an Authentizität, was tragisch enden muss, wenn man genau nach diesen Werten sucht.
OT: „The Barefoot Contessa“
Land: USA
Jahr: 1954
Regie: Joseph L. Mankiewicz
Drehbuch: Joseph L. Mankiewicz
Musik: Mario Nacimbene
Kamera: Jack Cardiff
Besetzung: Humphrey Bogart, Ava Gardner, Edmond O’Brien, Warren Stevens, Rossano Brazzi
https://www.youtube.com/watch?v=d6kFyhJ1flk
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