Als William Bligh (Anthony Hopkins) im Dezember die Segel setzt, um von Großbritannien aus nach Tahiti zu fahren, dann steht das Vorhaben unter keinem guten Stern. Fest entschlossen, die Welt zu umrunden, entscheidet er sich für die Route am Kap Hoorn vorbei. Doch der Plan scheitert, stattdessen müssen sie einen deutlich längeren Weg nehmen. Zu guter Letzt erreichen sie doch noch die Insel, erneut kommt es dabei aber zu deutlichen Verzögerungen. Das hat Folgen: Je länger der Aufenthalt dauert, umso ungehaltener ist Bligh, umso besorgter auch, dass das schöne Leben Auswirkungen auf die Disziplin haben könnte. Tatsächlich häufen sich die Konflikte, auf der Rückfahrt kommt es dann unter der Leitung des Ersten Offiziers Fletcher Christian (Mel Gibson) zur Meuterei …
Auch wenn die Geschichte der Seefahrt den meisten eher nicht geläufig sein dürfte, einzelne Ereignisse haben es doch ins kollektive Gedächtnis geschafft. Der Untergang der Titanic beispielsweise oder auch die Entdeckung Amerikas. Und das gilt auch für die Meuterei auf der Bounty, die sich im April 1789 zugetragen hat. Ein Grund, weshalb diese nicht in Vergessenheit geraten ist, dürften die diversen Verfilmungen sein, die das Thema auf der großen Leinwand zeigten, oft auch mit großen Namen. Die beiden berühmtesten Fassungen sind dabei zweifelsfrei die von 1935 mit Clark Gable und eine Adaption von 1962, in der Marlon Brando den jungen Meuterer Fletcher Christian spielte.
Bekannte Namen, unbekannte Eigenschaften
An diese Erfolge wollte man hier natürlich auch anschließen. Irgendwie schien das Projekt aber ebenso wie die legendäre Überfahrt vom Pech verfolgt zu sein. Immer wieder wurden Pläne umgeworfen, Regisseure ausgetauscht, das Format geändert, auch Produzenten liefen davon. Das eigentlich Ende der 1970er anvisierte Abenteuer verzögerte sich dadurch kräftig, erst 1983 konnten die Dreharbeiten beginnen. Man ließ sich den Spaß auch einiges kosten, allein die Nachbildung der Bounty soll 4 Millionen Dollar gekostet haben. Und doch verfolgte Drehbuchautor Robert Bolt (Lawrence von Arabien, Doktor Schiwago) bei seiner Adaption etwas weitreichendere Ziele als nur ein Seespektakel, wollte nicht einfach nur die berühmte Geschichte wiederholen.
Die auffälligste Änderung betrifft die beiden Hauptfiguren. War Bligh in den bisherigen Verfilmungen der eindeutige Bösewicht und Christian der Held, der gegen den Despoten vorging, ist die Unterscheidung bei Die Bounty deutlich kniffliger. Bligh wirkt hier eher wie jemand, der an seinen eigenen Ansprüchen scheitert und Souveränität vermissen lässt, weniger wie ein überzeugter Despot. Christian wiederum wird hier zu jemandem, der von anderen getrieben wird. Einer, der es sich lieber leicht macht und von sich aus nie kämpfen würde. Also alles andere als ein Held. Der Film beleuchtet zudem, wie das an und für sich gute Verhältnis der beiden, das sie schon vor der Fahrt hatten, mit der Zeit immer schwieriger wird.
Aber warum …?
Die Bounty befasst sich zudem länger mit der Zeit auf der Insel. Das hilft zum einen, die Motivation der Meuterer zu verdeutlichen – auch wenn Christian dadurch nicht wirklich mehr Kontur gewinnen. Es belohnt das Publikum zudem mit schönen Bildern eines Inselparadieses, das man aus verständlichen Gründen nicht verlassen möchte, um sein Leben für einen schimpfenden alten Mann aufs Spiel zu setzen. Trotz allem bleibt hier aber immer ein kleines Rätsel zurück, die Frage, wie das alles so geschehen konnte, findet keine eindeutige Antwort. Der Film bleibt an der Stelle ähnlich ambivalent wie bei den Figuren. Eine Verkettung ungünstiger Umstände eventuell. Oder doch menschliche Inkompetenz.
Der Film selbst ist dafür kompetent gemacht. Sowohl die ruhigen Momente wie auch die actionreicher angelegten Szenen bei der Überfahrt überzeugen. Vor allem Anthony Hopkins (Das Schweigen der Lämmer) hat viele große Auftritte als Mann, dem immer mehr die Kontrolle entgleitet, über andere wie sich selbst. Die Geschichte selbst ist natürlich trotz der Figurenverlagerung altbekannt, war es damals schon. Auch die Erzählstruktur, die mit Rückblenden arbeitet, ändert nichts daran, dass hier notgedrungen nichts Überraschendes passiert und keine große Spannung auftritt. Die interessante Figurenkonstellation in Verbindung mit den sehenswerten Aufnahmen reichen aber aus, um 35 Jahre später diese Version einmal anschauen zu wollen.
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