Eigentlich ist Leo (Alexander Fehling) gerade sehr zufrieden mit seinem Leben. Der Job als Linguist füllt ihn aus und mit seiner Freundin Marlene (Claudia Eisinger) könnte es auch nicht besser laufen. Bis sie ihm beichtet, dass sie sich mit einem anderen trifft. Die Trennung erschüttert Leo so sehr, dass er sich zurückzieht und nicht mal seine Schwester Adrienne (Ella Rumpf) es schafft, ihn aus dem Tief zu holen. Aber dann ist da plötzlich Emmi (Nora Tschirner). Eigentlich wollte die nur ein Zeitschriftenabo abbestellen, landet aber aufgrund einer Verwechslung mit ihrer Email bei Leo. Der stellt den Irrtum zwar klar, als er etwas später aber eine von den ungeliebten Massenmails von ihr zu Weihnachten bekommt, beginnen die beiden einen regen Emailchat. Beide finden Interesse aneinander, verbleiben aber mit der Abmachung die Anonymität weiter aufrecht zu erhalten. Was mit der Zeit immer schwieriger wird, denn die beiden entwickeln echte Gefühle füreinander …
Manchmal vermag ein falscher Buchstabe das Leben zwei Menschen grundlegend zu verändern. Im digitalen Zeitalter, in dem wir möglichst alles per Email, Whatsapp, SMS oder anderen Messengern mitteilen, kann aber ein verwechselter Buchstabe oder ein Zahlendreher ebenso verheerende Folgen haben. Im Fall der Adaption eines Romans von Daniel Glattauer (Die Wunderübung) finden sich allerdings zwei Menschen, die ohne es zu wissen auf der Suche sind. Alexander Fehling (Das Ende der Wahrheit, Der Hauptmann) als Leo, dem Linguisten dem oftmals die Worte fehlen, wenn er im Leben schwierigen Situationen gegenübersteht, aber im Schreiben schnell die richtigen Worte findet. Und Nora Tschirner (SMS für dich, Keinohrhasen) als Emma, die eigentlich nur ein Zeitschriftenabo kündigen wollte.
Kommunikation über Umwege
Über die ersten gut 45 Minuten hinweg fokussiert sich die Geschichte ausschließlich auf Leo und nur die Emails von Emma verraten die Anwesenheit von Nora Tschirner. Hier lässt sich der Film also erst einmal sehr viel Zeit, um Leo und sein etwas depressives Leben vor den Augen des Zuschauers auszubreiten. Aber auch wenn Leo im sozialen Umfeld oft ziemlich wortkarg daherkommt, so kann Alexander Fehling durchaus mit seinem Schauspiel überzeugen. Er schafft es tatsächlich, einzig durch seine Mimik vor dem Computerbildschirm seine Stimmung im Emailgespräch mit Emma auszudrücken, sodass es wirklich leicht fällt dort mitzufühlen.
Obowhl eben diese Szenen sehr gut gelungen sind und uns den Menschen näher bringen, so distanziert gestalten sich dann die Szenen in denen Leo seinem eigentlich Leben nachgeht. Hier fehlen tatsächlich die Interaktionen oder Momente, die uns noch mehr über ihn verraten, als nur dass er die Trennung nicht verkraftet und nicht richtig weiß, wie er ohne Marlene weiter machen soll. Gefühlt wurde hier Potenzial verschenkt, um vielleicht auch eine deutlichere Charakterentwicklung für die Geschichte zu ermöglichen.
Gute Stimme, wenig dahinter
Gleiches wirkt sich leider auch auf die Charakterdarstellung von Emma aus. Zu viele Momente beider belaufen sich letztendlich auf das Vorlesen der Nachrichten aus dem Off. Bei knapp 120 Minuten Spielzeit wird das spätestens nach der ersten Hälfte etwas monoton. Dass dabei auch Nora Tschirners Stimme keine Unbekannte ist, wenn wir zunächst nur Leo verfolgen, nimmt damit leider auch das Mysteriöse an der Frau, die scheinbar aus einer Laune heraus mit einem fremden Mann ein Gespräch via Email beginnt. Tschirner, die auch außerhalb ihrer Schauspielerinnendaseins nicht perfekt sein will, macht Emma zwar von Anfang an umso sympathischer, lässt indes aber die Geschichte vorhersehbar werden. Zu oft hat man diese Paarkonstellation in romantischen Filmen zuvor schon einmal gesehen.
Und damit landet man bei einem der größten Mängel von Gut gegen Nordwind. Das häufige Schema und die Macht der Gewohnheit was Romanzen anbelangt, weckt ein wenig Vorstellungen die letztendlich aber nicht erfüllt werden. Denkt man zurück an Email für dich oder Schlaflos in Seattle fehlt einem die Nahbarkeit, die Zufälligkeit eines Aufeinandertreffens, die einen mitnehmen und mitfiebern lassen, dass sich diese beiden emotional verlorenen Menschen endlich gegenüberstehen. Im Ganzen fehlt es dem Film schlichtweg an Romantik. Was überaus schade ist, denn optisch hat Gut gegen Nordwind einiges zu bieten. Nicht nur, dass es überaus erfrischend ist, dass die Stadt, in der die Geschichte spielt, so nicht existiert und in ein bunter Mix ist, der einen zeitweise glauben lässt, New York im Hintergrund zu entdecken um sich aber sogleich in einer kleineren deutschen Stadt wiederzufinden. Auch kleine Details in der Szenengestaltung ergeben ein stimmiges, wunderschönes Bild, welches aber eben mehr besagte Romantik gut getan hätte. Wenn Emmas Welt an einem Buchstaben zu zerbrechen droht, wird der Zuschauer Teil eines hervorragend gefilmten Momentes, der seine emotionale Kraft aber nicht im vollen Maße ausspielen kann. Das Gefühl hat hier den Bildschirm nicht so verlassen, wie es Emma später gegenüber Leo ausdrücken wird.
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